BEGRÜßUNGSREDE DER KAMPAGNE HALIM DENER ZUR KONFERENZ „KÄMPFE VERBINDEN! IM GEDENKEN AN HALIM DENER ZUM 30. TODESTAG“

Begrüßungsrede der Kampagne Halim Dener zur Konferenz „Kämpfe verbinden! Im Gedenken an Halim Dener zum 30. Todestag“
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Liebe Genossinnen, liebe Freundinnen und Unterstützer*innen,

herzlich willkommen zur heutigen Konferenz unter dem Motto „Kämpfe verbinden“. Wir sind heute hier zusammengekommen, um das 10-jährige Bestehen der Kampagne Halim Dener zu begehen und gleichzeitig dem 30. Jahrestag der Ermordung von Halim Dener zu gedenken.
In der Person von Halim Dener gedenken wir all den Menschen, die durch Staatsgewalt aus dem Leben gerissen wurden – von ihren liebsten Menschen, von ihren Angehörigen und Freunden. Ebenso gedenken wir all jener, die im Kampf für Freiheit, gegen Staatsterror und Faschismus ihr Leben geopfert haben. Ich bitte euch deshalb, für eine Schweigeminute zum Gedenken aufzustehen.

Şehîd namirin. Die Gefallenen sind unsterblich. Durch ihren Kampf erleuchten sie uns den Weg, den wir weiter gehen.

Liebe Freund*innen, diese Konferenz steht unter dem Motto: „Gefoltert. Geflohen. Verboten. Erschossen. Kämpfe verbinden.“

Gefoltert, weil Halim Dener aus dem von der Türkei besetzten Gebiet im Norden Kurdistans kommt. Die türkische Regierung hat seit ihrer Gründung einen Genozid an der kurdischen Bevölkerung verübt, den sie von den 70ern bis in die 90er durch das Töten und Verschwindenlassen von tausenden Kurd: innen und das zerstören tausernder kurdischer Dörfer vollenden wollte. Dieser Genozid scheiterte am Widerstand des kurdischen Volkes. Der kurdische Jugendliche Halim Dener steht stellvertretend für unzählige Opfer von Staatsterror und Polizeigewalt des türkischen Staates. Gleichzeitig steht er symbolisch auch für die brutale Realität denen Menschen auf der gesamten Welt ausgesetzt sind.

Geflohen, weil Halim Dener zu den Menschen gehörte, die keinen Ausweg mehr aus dieser staatlichen Repression und Gewalt sahen und gezwungen waren zu fliehen, in ein Land, in dem er hoffte, in Frieden leben zu können. Er entschied sich, nach Deutschland zu fliehen und sich dort ein neues Leben aufzubauen. Flucht ist immer riskant und lebensbedrohlich, insbesondere dann, wenn man selbst zur Zielscheibe der staatlichen Sicherheitsaparate wird. Fluchtruten sind gefährlich. Insbesondere dann, wenn man mehrere Nationalstaatliche Grenzen oder ganze Meere überqueren muss und diese immer stärker militarisiert werden und das Asylrecht im allgemeinen immer weiter abgeschafft wird, wie wir es heute in der gesamten EU sehen.

Verboten, weil er auch hier kein sicheres Leben fand. Sein Engagement für die Befreiungsbewegung Kurdistans – die den Widerstand der Bevölkerung anführt – machten ihn erneut zur Zielscheibe staatlicher Gewalt. Viele Kurden flohen damals aus der Türkei nach Deutschland, um sich vor dieser staatlichen Gewalt zu schützen. Um in ihre Heimat zurückkehren zu können, führten sie den politischen Kampf auch hier in der Diaspora fort. Doch dank der langen deutsch-türkischen Partnerschaft wurde 1993 mit dem sogenannten PKK-Betätigungsverbot die gesamte kurdische Bevölkerung und ihre Freiheitsbewegung in Deutschland verboten. Für viele kurdische Aktivist: innen bedeutet dies auch heute noch jahrelange Gefängnisstrafen für eigentlich legale Aktivitäten. Für Halim Dener bedeutete dies den Tod.

Erschossen, weil Halim Dener am 30. Juni 1994 in Hannover am Steintor beim Plakatieren der Symbole der Befreiungsbewegung Kurdistans von einem Polizisten, einem SEK-Beamten, mit gezogener Waffe gestellt und erschossen wurde. Halim Dener plakatierte Plakate mit dem Symbol der ERNK, dem unbewaffneten gesellschaftspolitischen Teil der PKK, der für die Freiheit und Rechte des kurdischen Volkes, für Selbstbestimmung und gegen die brutale Unterdrückung durch den türkischen Staat stand. Die Polizeigewalt, die Halim das Leben nahm, war kein tragisches Unglück, sondern ein Ergebnis einer kurdenfeindlichen Atmosphäre und eines Systems, das auf Repression und Gewalt basiert. Halim Dener steht in diesem Sinne auch für all die Menschen, die durch die staatliche Gewalt und den in der Gesellschaft gestreuten Rassismus ihr Leben verlieren.

Kämpfe verbinden! In der Biografie von Halim Dener in der auch wir uns wiederfinden können. Seit den 90ern hat sich an der Gewalt und den Systemen, die sie hervorgebracht haben nicht viel geändert. Im Gegenteil sehen wir heute eine Verschärfung all dieser Gewalt. Nicht zuletzt auch in dem stärker zutage tretenden Faschismus der europäischen staatlichen Regime in Krisenzeiten wie denen, wie wir sie heute haben. Auch heute sind zehntausende von Menschen aus ganz Deutschland in Essen, um gegen die eine der offen faschistischen Parteien dieses Staates Widerstand zu leisten. In Verbundenheit mit dem Widerstand in Essen wie auch dem Widerstand überall auf der Welt – auf den Straßen, in den Gefängnissen, Wäldern, in den Betrieben und in den Küchen – sind wir hier zusammengekommen. Zusammengekommen, um unseren Widerstand, unsere Kämpfe gegen Ungerechtigkeit, gegen Kolonisierung, gegen Krieg, gegen Menschenrechtsverletzungen, gegen Genozid, gegen Ökozid, gegen Femizid, gegen jegliche Gewalt der heutigen Zeit im Gedenken an Halim Dener zu verbinden.

Die Kampagne Halim Dener wurde vor zehn Jahren ins Leben gerufen, um die radikale Linke und die Befreiungsbewegung Kurdistans näher zusammenzubringen. Sie hat sich der Aufgabe verschrieben, Halims Andenken zu ehren und gleichzeitig die strukturellen Probleme anzugehen, die zu seinem Tod führten. Wir kämpfen gegen den Staatsterror und die Polizeigewalt, die weiterhin Menschenleben fordern und die Gesellschaft spalten.

Dabei gehen wir in den Fußstapfen der Bewegung, für die auch Halim Dener sich einsetzte und bis heute auch in unserer Geographie wirkt. Die Befreiungsbewegung Kurdistans setzt sich seit über 50 Jahren für ein Ende der nationalstaatlichen Gewalt, gegen den Kapitalismus als Ganzes und für die Transformation der patriarchalen Ordnung ein. Denn all dies bildet die Grundlagen für Krieg, Unterdrückung, Flucht, Tod und Ungerechtigkeit. Abdullah Öcalan, Philosoph und Vordenker der Befreiungsbewegung Kurdistans, spricht von einem ganzheitlichen Kampf gegen die kapitalistische Moderne, die ihre Wurzel im 5000 Jahre alten Patriarchat hat. Ökologie, Geschlechterbefreiung und wirkliche Demokratie sind die Grundpfeiler dieser Bewegung.

Diese Werte haben uns als Freund: innen, Genoss: innen, Gruppen, Initiativen und Organisationen, die die Kampagne Halim Dener gestartet haben oder über die Jahre mit ihr in Berührung gekommen sind, auf die ein oder andere Art inspiriert. Nicht nur wurde Halim Dener in der Gesellschaft und der Stadtpolitik öffentlich bekannt, auch viele junge Menschen haben sich mit uns durch die Kampagnenarbeit politisiert. In den 10 Jahren ist ein Erfahrungsschatz als Grundlage entstanden, der Vertrauen und Solidarität mit Leben gefüllt hat. Das Ziel, als radikale Linke und Befreiungsbewegung Kurdistans zusammenzurücken, welches die Grundidee in der Entstehung der Kampagne war, ist heute rückblickend klar aufgegangen!

Diese Erfahrungen und diese Werte möchten wir auch heute auf dieser Konferenz in unsere gemeinsamen Diskussionen einfließen lassen. Wir möchten die klassische Kampagnenarbeit öffnen und heute den ersten Grundstein dafür legen, um einen gemeinsamen Schritt in die Zukunft zu machen. Denn wie wir derzeit spüren und wahrnehmen: Kriege werden wie nie zuvor ausgeweitet, Natur und Umwelt geraten aus den Fugen, Milliarden Menschen sind weltweit auf der Flucht, so viele wie noch nie in der Geschichte. All diese Probleme und Konflikte sind von Menschen gemacht. Als Menschen können wir sie auch beenden! Wenn wir uns dagegenstellen und dabei kämpferisch eine gemeinsame Alternative aufbauen, können wir Erfolge erzielen!

Es ist klar, dass dieser Kampf nicht einfach ist und dass wir noch einen langen Weg vor uns haben. Doch unsere kurz- und mittelfristigen Ziele sind klar: Wir wollen unseren gemeinsamen Kampf weiterentwickeln, unsere verschiedenen Kämpfe miteinander verbinden und gemeinsame Ziele definieren. Wir wollen ein starkes und solidarisches Netzwerk aufbauen, das in der Lage ist, den vielen Herausforderungen unserer Zeit wirksam zu begegnen.

Heute sind wir hier, um uns zu erinnern, zu reflektieren und unsere Kräfte zu bündeln. Wir wollen unsere Erfahrungen teilen, voneinander lernen und eine neue Form des Kämpfens, des Vertrauens und Aufbauens entwickeln, um unseren gemeinsamen Zielen näher zu kommen. Lasst uns Halim Deners Andenken ehren, indem wir unseren Kampf für Gerechtigkeit und Freiheit fortsetzen und verstärken.

Lasst uns heute gemeinsam den Tag beginnen mit den Worten: Gefoltert. Geflohen. Verboten. Erschossen. Kämpfe verbinden! Wie Abdullah Öcalan sagt: „Eine andere Welt ist möglich. Wir können sie schaffen, wenn wir zusammenkommen und kämpfen. [Wenn wir] zusammen das hier und jetzt mit dem richtigen und dem schönen Leben beginnen.“

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.