Vor 23 Jahren wurde Halim Dener von einem deutschen Polizisten in Hannover erschossen. Die gesellschaftlichen und politischen Fragen von Krieg, Flucht, staatlicher Repression und Polizeigewalt, die 1994 zum Tod des 16-jährigen Kurden geführt haben, sind auch heute noch ungelöst.
Auch darum gedenken wir Halim und fordern eine Aufhebung des PKK-Verbots sowie einen Ort des würdevollen Gedenkens an ihn in Hannover.
Kommt daher zur Demonstration:
30.06.2017, 17:00 Uhr
Steintor/Hannover
Halim Dener – gefoltert. geflüchtet. verboten. erschossen.
gefoltert. Halim Dener musste 1994 vor dem Krieg in seiner Heimat fliehen. Das türkische Militär zerstörte Anfang der 90er Jahre in Nordkurdistan (Südosttürkei) über 4.000 Dörfer, 17.000 „Morde unbekannter Täter“ wurden zumeist an kurdischen Zivilist*innen begangen, das „Verschwindenlassen von Personen“ und Folter waren gängige Praxis von Militär, Polizei, Geheimdienst und Paramilitärs. Halim selbst wurde vor seiner Flucht in Polizeihaft gefoltert, sein Dorf zerstört.
Heute ist es das AKP-Regime, das in Kurdistan Krieg führt und die demokratischen Bewegungen, Parteien und Bestrebungen unterdrückt. Die Bundesregierung hält ihm die Treue, obwohl es Zehntausende zur Flucht treibt.
geflüchtet. Als „unbegleiteter minderjähriger Flüchtling“ kam der 16-jährige Halim in die BRD. Um seine Familie in der Heimat nicht zu gefährden, musste er unter falschem Namen Asyl beantragen. Kurz zuvor gipfelten deutschlandweit öffentliche Hetze und ein gesellschaftlich weit verbreiteter Rassismus in Pogromen gegen Geflüchtete und Migrant*innen, wie in Rostock-Lichtenhagen, Mölln und Solingen. In der Folge verschärfte die Bundesregierung das Asylrecht.
Trotzdem sind immer noch Tausende gezwungen, die gefährliche Reise nach Europa auf sich zu nehmen, um vor Krieg, Hunger und Armut zu fliehen. Der EU-Türkei-Deal richtet sich gegen die Flüchtenden und Geflüchteten selbst und verschärft die Frage von Flucht.
verboten. Anfang der 90er lief gegen die kurdische Bevölkerung in der BRD eine regelrechte Hetzkampagne, die im November 1993 zum Verbot der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und ihr nahestehender Organisationen führte. Die simple Gleichung „Kurd*innen = PKK = Terrorist*innen“ sollte die staatliche Repression gegen Kurd*innen rechtfertigen, mit der die BRD ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen wahren wollte. Erst vor kurzem wurde das Verbot, Symbole kurdischer Organisationen bei Versammlungen zu zeigen, extrem und willkürlich verschärft.
Das Recht sich zu Organisieren und seine Meinung zu äußern wird durch die Aufrechterhaltung des PKK-Verbots für Kurd*innen quasi ausgesetzt.
erschossen. In der BRD setzte sich Halim weiter für die kurdische Bewegung ein. Am 30.06.1994 wurde er beim Kleben von Plakaten mit dem Emblem der ERNK, des (damaligen) politischen Arms der PKK, von SEK-Polizisten in Zivil überrascht und bei der Festnahme aus kürzester Entfernung in den Rücken geschossen. An dieser Schussverletzung starb er wenig später. Der Polizist wurde von seinen Kolleg*innen gedeckt, sodass die Tat nie angemessen aufgeklärt werden konnte.
Seit 1990 wurden in der BRD mindestens 269 Menschen durch Polizeischüssen getötet, viele von ihnen jung, männlich, mit Migrationshintergrund und – unbewaffnet, ungefährlich, ihr Tod „ein Unfall“. Tödliche Polizeigewalt hat System, sie wird bis heute vertuscht.
Die gesellschaftlichen und politischen Fragen von Krieg, Flucht, staatlicher Repression und Polizeigewalt, die zu Halims Tod geführt haben, sind heute so aktuell wie damals; daher die Kampagne Halim Dener: gefoltert. geflüchtet. verboten. erschossen.
Halim-Dener-Platz in Linden!
Die Forderung nach einem Ort des würdevollen Gedenkens begleitet die Kampagne Halim Dener schon seit einigen Jahren. Trotz verschiedener Vorschläge einen solchen Ort zu schaffen, zahlreicher Aktionen und wiederholter Gespräche mit Vertreter*innen der Stadt (u.a. mit dem Oberbürgermeister Stefan Schostok), ignoriert sie dieses wichtige Kapitel ihrer eigenen Geschichte. 1994 sprach der damalige OB Herbert Schmalstieg auf der Trauer-Kundgebung für Halim vor 16.000 Teilnehmer*innen und brachte noch 2015 zum Ausdruck, dass er die Aufrechterhaltung des PKK-Verbots für falsch halte. Sein Nachfolger Schostok hingegen, möchte dieses Thema so schnell wie möglich aufhalten und unterbinden – und das ohne jegliche Aufmerksamkeit und Diskussion.
Erst der Beschluss des Stadtbezirksrats Linden-Limmer Anfang Mai, einen bisher namenlosen Platz nach Halim Dener zu benennen, ruft einen Sturm der Entrüstung in Lokalpolitik und -presse hervor. 23 Jahre nach dem Tod des Jugendlichen und 3 Jahre nach der Gründung der Kampagne Halim Dener versucht die Verwaltung der Stadt innerhalb weniger Wochen den Beschluss des Bezirksrats zu kippen und dem Gedenken einen Riegel vorzuschieben. Dieses Verhalten, sich einerseits Jahre lang nicht zum Thema zu verhalten und andererseits jegliche Vorschläge zu unterbinden, ist nicht nur undemokratisch, sondern setzt das Unrecht, das 1994 geschehen ist, fort.
Kritiker*innen des Halim-Dener-Platzes reden eine Spaltung der Gesellschaft entlang ethnischer Grenzen herbei und sehen in der Platz-Benennung Konfliktpotential. Dabei sind sie in Wirklichkeit die treibende Kraft der Spaltung und erkennen nicht, dass gesellschaftliche Fragen zum Konflikt um den Tod Halims geführt haben. Ein Ort des Gedenkens und der Auseinandersetzung mit diesen bestehenden Fragen wäre ein wichtiger Schritt, um die herrschende Realität anzuerkennen und gemeinsame Antworten für Lösungen zu finden.
Viele Lindener*innen unterstützen den Halim-Dener-Platz, egal welcher Herkunft, Kultur oder Sprache. Sie beweisen Mut zur Diskussion und treten ein gegen Rassismus und Nationalismus. Als Kampagne Halim Dener begrüßen wir diese offene, selbstbewusste Haltung und laufen daher mit unserer Demonstration zum diesjährigen Todestag Halims vom Steintor nach Linden, zum Halim-Dener-Platz.
Dabei werden wir weiterhin das Gedenken an Halim Dener und die Forderung nach einem angemessenen Ort dafür mit der Auseinandersetzung über den Krieg in Kurdistan und den Status der Kurd*innen, dem Thema Flucht und Asyl, dem PKK-Verbot und tödlicher Polizeigewalt verbinden. Unabhängig davon, was Oberbürgermeister oder Kommunalaufsichten beschließen: Wir werden den Halim-Dener-Platz als Ort des Gedenkens und der Begegnung gestalten!
Kommt zur Demonstration:
30.06.2017, 17.00 Uhr
Steintor/Hannover
FÜR EIN WÜRDEVOLLES GEDENKDEN AN HALIM DENER!
FÜR DEN HALIM-DENER-PLATZ* IN LINDEN!
Schluss der militärischen Zusammenarbeit der BRD mit der Türkei!
Sofortiges Ende des Exports deutscher Waffen in die Türkei und allen anderen Staaten!
Bleiberecht für Alle!
Weg mit dem PKK-Verbot!
Lückenlose Aufklärung rassistischer Polizeigewalt!
* Freifläche zwischen Velvet- und Pfarrlandstraße sowie Wilhelm-Bluhm-Straße und Pfarrland-Spielplatz in Linden-Nord
Hier der Aufruf als Flugblatt im pdf zum selbst Ausdrucken und Auslegen/Verteilen.