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Demoaufruf: „Kämpfe verbinden!“ zum 30. Todestag

Aufruf zur Beteiligung an der Kampagne Halim Dener
gefoltert. geflüchtet. verboten. erschossen.

Wir schreiben das Jahr 2024 – In vielen Regionen der Welt herrscht Krieg – Gaza, Ukraine, Jemen, Kurdistan – die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Regionale und globale Mächte heizen diese Kriege an, ihre Interessen werden genau dort verhandelt, sie liefern die Waffen. Verbrechen und Gewalt gegen Zivilist*innen sind dabei blutiger Alltag, sie kennen viele Gesichter: Folter, Vergewaltigung, Vertreibungen…1000 Gründe zur Flucht.

Wer flieht, trifft auf Zäune, Gräben, Mauern, Gewehrläufe. Wer flieht, ertrinkt, erfriert, verdurstet. Continue reading Demoaufruf: „Kämpfe verbinden!“ zum 30. Todestag

Gedenkkundgebung für Halim Dener in Hannover

Die Kampagne für ein würdiges Gedenken an Halim Dener hat an seinem Todestag rund 200 Menschen zu einer Kundgebung am Steintor in Hannover mobilisiert. Dort wurde der junge Kurde vor 29 Jahren von einem SEK-Beamten erschossen.
Link: https://anfdeutsch.com/aktuelles/-38093

Seit 29 Jahren finden anlässlich der Ermordung des kurdischen Jugendlichen Halim Dener in Hannover Demonstrationen, Kundgebungen, Infoveranstaltungen und diverse weitere kreative Aktionen wie das Umbenennen von Straßen und das Anbringen von Gedenkplaketten statt. Im Stadtteil Linden wird eine Platzbenennung angestrebt. Der Platz wird seit Jahren inoffiziell als Halim-Dener-Platz aktiv genutzt. Die Kampagne Halim Dener, die seit Jahren für ein würdevolles Gedenken in der Stadt an den damals 16-jährigen kurdischen Jugendlichen kämpft, mobilisierte am vergangenen Freitag zu seinem Todestag rund 200 Menschen zu einer Gedenkkundgebung am Steintor, wo Halim Dener am 30. Juni 1994 von einem SEK-Beamten durch einen Schuss in den Rücken getötet wurde.

Auf der Kundgebung wurden von unterschiedlichen Gruppen und Initiativen Redebeiträge gehalten, es wurden Kerzen angezündet und Blumen niedergelegt. Ein Aktivist sagte: „Heute vor 29 Jahren wurde Halim Dener hier auf dem Steintor erschossen. Die Themen der Kampagne ,Gefoltert. Geflüchtet. Verboten. Erschossen. – Aber niemals vergessen‘ sind wie damals auch heute aktueller denn je. Krieg, Folter, Vertreibung sowie der Tod auf gefährlichen Fluchtwegen oder hier Opfer von rassistischer Staats- und Polizeigewalt zu werden, füllen unsere Herzen mit Wut gegen das System der kapitalistischen Moderne. Dem muss man hinzufügen, dass die Formel Kurde = PKK = Terrorist durch eine Hetzkampagne eine Atmosphäre geschaffen hat, bei der jegliche politische Betätigung von Kurd:innen mit Terrorismus gleichgesetzt wird. Das hat auch zum Tod von Halim geführt.“

iL: Weg mit dem Verbot der PKK!

Zur Erinnerungskultur in der Stadt Hannover erklärte die Interventionistische Linke (iL): „Es gibt gute Gründe, warum wir auch heute, an diesem 29. Todestag von Halim Dener hier stehen. Wir fordern seit Jahren einen Platz in der Erinnerungsgeschichte der Stadt Hannover. Die Stadt hat bis heute Sorge, sich die Hände schmutzig zu machen, denn Halim Dener war Kurde. Halim Dener, 16 Jahr alt, wurde in der Türkei gefoltert, floh nach Deutschland, klebte Plakate für die ERNK, eine PKK-nahe verbotene Organisation. Er wurde 1994 beim Plakatieren erwischt und von einem deutschen Polizisten erschossen. Es gab einen Prozess gegen den Polizisten. Er wurde freigesprochen. Wir kennen das. Ende der Geschichte? Nein. Wir nehmen es nicht hin. Dank der Initiativen vieler Menschen tut sich etwas. Ja, die Stadtoberen könnten sich inzwischen sogar eine Infotafel am Steintor vorstellen. Die öffentliche Aufmerksamkeit, die das am Schauspielhaus aufgeführte Theaterstück zu Halim Deners Geschichte ausgelöst hat, scheint da so manchen motiviert zu haben. Nach jahrelangem Aussitzen will sich die Stadt nun plötzlich profilieren. Bemerkenswerte Kehrtwende! Hat man doch bspw. die Benennung des Halim-DenerPlatzes in Linden noch mit aller Macht gestoppt. Aber dieses Mal wird alles anders, jetzt haben sie es verstanden. Könnte man jetzt denken. Doch auch dieses Mal gibt es da natürlich viel zu berücksichtigen. Die allbekannten Bedenkenträger bringen sich in Stellung: Die Polizei erhebt Einspruch, die türkische konservative Community erhebt Einspruch, der Staatsschutz erhebt Einspruch, Politiker:innen erheben Einspruch. Welcher Brandgeruch steckt in den Kleidern des Geflüchteten, den sie alle so scheuen? Die Polizei möchte nicht länger mit dem mörderischen Tun ihres Beamten konfrontiert werden. Der Staatsschutz raunt: Oh, das könnte eine Pilgerstätte werden. Wir wollen keine Märtyrer. Die konservative türkische Gemeinde fürchtet sich vor einer Aufwertung der Interessen der kurdischen Gesellschaft. Und die politisch Verantwortlichen haben gleich mehrere Probleme: Der Krieg der türkischen Regierung gegen die kurdischen Gebiete wird mit deutschen Waffen und deutschen Panzern geführt. Die Türkei hält, gegen Zahlung von Milliarden, dem deutschen Staat Flüchtlinge vom Hals. Die deutsche Regierung möchte sich also nicht mit der rechten AKP-Regierung von Erdogan anlegen. Nun ist ein nächster Trippelschritt gemacht worden; das Zeitzentrum Zivilcourage soll eine wissenschaftliche Aufarbeitung durchführen, an der auch die Polizei beteiligt werden soll. Es war ja schon immer eine gute Idee, die Täter mit der Aufarbeitung ihrer Tat zu beauftragen. Wir sagen: Hört auf mit diesem durchsichtigen Getöse! Die Aufarbeitung und Dokumentation des Falls ist längst geleistet – von den Aktivist:innen der Kampagne Halim Dener, ohne jegliche Unterstützung der Stadt. Was endlich gebraucht wird, ist die Übernahme und die Anerkennung der politischen Verantwortung. Halim Dener: gefoltert, geflohen, verboten, erschossen. Weiterhin gilt: Einen Platz der Erinnerung werden wir gemeinsam erkämpfen müssen. Weg mit dem Verbot der PKK!“

Die Rote Hilfe listete in seinem Redebeitrag die bislang bekannten Betroffenen von Polizeigewalt in der Geschichte der BRD auf, die Initiative „Women Defend Rojava“ erinnerte an die Fluchtgründe von Halim Dener und ging auf die kurdische Frauenbewegung ein, die seit Beginn des Freiheitskampfes in Kurdistan eine zentrale Rolle darstellt. In Reden von Nav-Dem Hannover und Defend Kurdistan wurde die deutsche Beteiligung am Krieg in Kurdistan hervorgehoben.

Initiative „Für ein würdevolles Gedenken an Halim Dener!“ bei ÇIRA FOKUS

In der heutigen Ausgabe der deutschsprachigen Sendung Çira Fokus spricht Moderator Yilmaz Pêşkevin Kaba mit Kira Bönning und Îmam über die Initiative „Für ein würdevolles Gedenken an Halim Dener!“.
Link: https://www.youtube.com/watch?v=ZN4Ybs0qxts

Zu Gast in der von Yilmaz Pêşkevin Kaba moderierten Sendung Çira Fokus sind am heutigen Abend die Aktivistin Kira Bönning von der der feministischen Organisierung „Gemeinsam kämpfen! Für Selbstbestimmung und demokratische Autonomie“ und der Aktivist Îmam von der „Kampagne Halim Dener“.

Hintergrund der Sendung ist der Tod von Halim Dener vor 29 Jahren. Der junge Kurde war am 30. Juni 1994 im Alter von gerade einmal 16 Jahren von einem Zivilpolizisten einer Spezialeinheit beim Kleben eines Plakates gegen das 1993 erlassene PKK-Verbot in Hannover erschossen worden. Halim Dener kam aus Çewlîg (tr. Bingöl) und war kurz vor seinem Tod aufgrund des Staatsterrors aus der Türkei nach Deutschland geflüchtet. Die gesellschaftlichen und politischen Fragen von Krieg, Flucht, staatlicher Repression und Polizeigewalt, die 1994 zum Tod des jungen Kurden geführt haben, sind auch heute noch ungelöst.

Wie kann ein würdevolles Gedenken an Halim Dener aussehen und was macht die Kampagne „Halim Dener – Gefoltert. Geflüchtet. Verboten. Erschossen.“, sind Fragen, die in der heutigen Sendung diskutiert und erläutert werden.

Auch wird es aktuelle Informationen zur diesjährigen Gedenkkundgebung geben, die am morgigen Freitag, 30. Juni, um 18 Uhr am Steintor in der Innenstadt von Hannover stattfinden wird.

Die Sendung am 29. Juni beginnt um 20 Uhr.

Straße in Hannover nach Halim Dener benannt

In Hannover haben Aktivist:innen eine Straße im Stadtteil Linden nach Halim Dener benannt. 29 Jahre nach dem Mord an dem jungen Kurden durch Polizeischüsse wird weiterhin ein würdiges und öffentliches Gedenken gefordert.
Link: https://anfdeutsch.com/aktuelles/-38011
Link: https://www.jungewelt.de/loginFailed.php?ref=/artikel/453462.stra%C3%9Fenumbennungsaktion-zur-erinnerung-an-halim-dener.html?sstr=halim%7Cdener

Am Samstagnachmittag haben Aktivist:innen eine Straße im Stadtteil Linden nach Halim Dener benannt. Der kurdische Jugendliche wurde vor 29 Jahren beim Anbringen eines Plakates der Arbeiterpartei Kurdistans von einem Polizisten von hinten erschossen. Bis heute wurde die Tat nicht vollständig aufgeklärt. Ein würdevolles und öffentliches Gedenken ist bis heute verwehrt worden. Anna Kühnle erklärte anlässlich der Straßenumbenennung im Namen der Aktivist:innen: „Um das Gedenken an Halim Dener lebendig zu halten, haben wir diese direkte Aktion durchgeführt und das getan, was die Stadt seit 29 Jahren nicht in die Tat umgesetzt hat. Dabei ist der Fall Halim Dener kein Einzelfall, sondern reiht sich ein in eine lange Geschichte rassistischer und struktureller Polizeigewalt. Wir fordern von der Stadt Hannover, jetzt endlich die Umbenennung des Platzes, welcher im Stadtteil schon längst als Halim-Dener-Platz bekannt ist, offiziell zu machen.“

Die Aktivist:innen betonen, dass das Gedenken an Halim Dener „heute genau so wichtig wie damals“ ist, und laden zur Teilnahme an einer Gedenkkundgebung am Steintor am 30. Juni ein.

Als Halim Dener am 30. Juni 1994 von einem SEK-Polizisten erschossen wurde, war er 16 Jahre alt. Der junge Kurde stammte aus Çewlîg (tr. Bingöl) und war kurz vor seinem Tod aufgrund des Staatsterrors aus der Türkei nach Deutschland geflüchtet. Für die tödlichen Schüsse in den Rücken ist niemand verurteilt worden.

Gedenkkundgebung für Halim Dener in Hannover

„Gefoltert. Geflüchtet. Verboten. Erschossen.“ – In Hannover haben Menschen aus linken und migrantischen Strukturen des 1994 erschossenen Halim Dener gedacht. Der 16-jährige Kurde wurde von einem SEK-Polizisten ermordet.
Link: https://anfdeutsch.com/aktuelles/-32890

Am 30. Juni 1994 – vor 28 Jahren – ist Halim Dener im Alter von gerade einmal 16 Jahren in Hannover von einem SEK-Polizisten in Zivil erschossen worden. Der junge Kurde stammte aus Çewlîg (tr. Bingöl) und war kurz vor seinem Tod aufgrund des Staatsterrors aus der Türkei nach Deutschland geflüchtet. Seinem Widerstand gegen die türkische Aggression gegenüber Kurdinnen und Kurden hatte er in Hannover mit Plakaten, auf denen die ERNK-Fahne abgebildet war, Ausdruck verliehen. Am Steintor wurde er dabei schließlich ermordet. Für den tödlichen Schuss aus einer Entfernung von ungefähr zehn Zentimeter in den Rücken ist niemand verurteilt worden.

Um an Halim Dener zu erinnern und ein würdevolles Gedenken an ihn einzufordern, fand am Donnerstagabend eine Kundgebung am Tatort in Hannover statt. Aufgerufen hatten viele verschiedene Gruppen, darunter die Kampagne Halim Dener, Migra-Bündnis, Interventionistische Linke, FemMigra, Rote Hilfe, Women Defend Rojava, YXK/JXK, TCŞ und der Frauenrat Ronahî. Mitten auf dem Platz war ein großes Transparent mit dem Konterfei des Jugendlichen angebracht worden. Teilnehmende der Gedenkkundgebung traten heran und legten rote Nelken nieder. Währenddessen ertönte aus Lautsprechern das kurdische Widerstandslied „Çerxa Şoreşê“ (Das Rad der Revolution).

In Redebeiträgen wiesen Sprecher:innen der anwesenden Organisationen darauf hin, dass die gesellschaftlichen und politischen Fragen, die 1994 zum Tod von Halim Dener führten, auch heute noch ungelöst seien: Krieg, Flucht, staatliche Repression und Polizeigewalt. „Was ihm in Hannover zum Verhängnis wurde, ist neben der von Rassismus durchzogenen Polizei letztlich auch eine Außenpolitik, die die Bundesregierung bis heute konsequent verfolgt: Ganz im Sinne des AKP-Regimes geht die BRD rigoros gegen all jene vor, die sich mit der kurdischen Freiheitsbewegung solidarisieren. Anstatt die Bemühungen um eine progressive Gesellschaft, die auf Geschlechterbefreiung, Ökologie und Basisdemokratie aufbaut, zu unterstützen, kriminalisiert die BRD all jene, die das tun und versorgt den türkischen Staat mit Waffen für die Zerstörung dieser gelebten Utopie. Die deutschen Sicherheitsbehörden verwischen dabei die Grenzen von Innen- und Außenpolitik und nutzen jeden Vorwand, um gegen die kurdische Freiheitsbewegung in Deutschland vorzugehen. Der Tod von Halim Dener steht nicht nur exemplarisch für die ständige Kriminalisierung der Solidarität mit dem kurdischen Befreiungskampf. Er zeigt auch, wie eine sich gegenseitig deckende Polizei und Justiz unbeschadet aus der Verantwortung ziehen kann, wenn Menschen durch ihre Hand ihr Leben lassen. Halim Deners Tod zeigt beispielhaft, dass von Rassismus betroffene Menschen in der BRD einem besonders hohen Risiko ausgesetzt sind, ihr Leben durch den Staat und seine rassistischen Institutionen zu verlieren“, hatte es bereits im Aufruf zu dem Gedenken geheißen.

Es galt daher, die „Wut über diese Verhältnisse“ auf die Straße zu tragen und am Gedenken an Halim Dener und allen anderen teilzunehmen. In dem Zusammenhang wurde auch hervorgehoben, dass die Einleitung des PKK-Verbots 1993 dazu beigetragen habe, dass Rassismus, Polizeigewalt und staatliche Repression gegen Migrant:innen und migrantische Organisationen über die Jahre zugenommen hätten und aus gesellschaftlicher Perspektive normalisiert würden. „Wir sagen daher Schluss mit der militärischen Zusammenarbeit mit dem faschistischen AKP-Regime, fordern die Aufhebung des PKK-Verbots und ein Ende der Kriminalisierung der kurdischen Befreiungsbewegung“, hieß es mehrmals.

Halim Dener – Gedenken in historischem und gesellschaftlichem Kontext

Vor 28 Jahren wurde der kurdische Jugendliche Halim Dener von einem deutschen Polizisten in Hannover ermordet. Bis heute kämpft eine Kampagne für ein würdevolles Gedenken und dafür, dass Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden.
Dieser Artikel erschien zuerst im Kurdistan-Report
Link: https://anfdeutsch.com/hintergrund/-32403

Der Name Halim Dener ist heute für viele kurdische Aktivist:innen, aber auch für viele deutsche Linke kein unbekannter. Mit dem Schicksal des geflohenen kurdischen Jugendlichen, der in Deutschland Schutz suchte, und stattdessen am 30. Juni 1994 den Tod durch die Kugel aus der Waffe eines deutschen Polizisten fand, verbinden sich verschiedene politische Entwicklungslinien und Konflikte. Dazu gehört zuvorderst der Konflikt zwischen der kurdischen Freiheitsbewegung und einem faschistisch agierenden türkischen Staatsapparat, der in seinem Krieg gegen Kurdistan und in der Repression gegen kurdische Aktivist:innen seit Jahrzehnten durch die deutschen Behörden und deutsche Waffen unterstützt wird.

Staatliche Repression gegen die kurdische Freiheitsbewegung

„Alle staatliche Herrschaft versucht, bestehende gesellschaftliche Fragen, wie die kurdische Frage, durch Gewalt und Macht zu unterdrücken, soweit sie sich nicht im Sinne ihrer Interessen befrieden lassen. Dieser Aspekt der Kriminalisierung und Repression gesellschaftlicher Bewegungen ist mit ursächlich für den Tod Halim Deners. Die Freiheitsbewegung Kurdistans, die sich um die Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) und Abdullah Öcalan seit Anfang der 1970er Jahre herum gebildet hat, hat eine linke Antwort auf die kurdische Frage formuliert. Mit ihrer Suche nach gesellschaftlicher Befreiung war sie den Herrschenden von Anfang an ein Dorn im Auge, in Kurdistan und der Türkei genauso wie international. Die BRD hat aufgrund ihrer antikommunistischen Staatsraison und ihrer historisch engen Beziehungen zur Türkei bei der Politik und Repression gegen die Bewegung eine führende Rolle innerhalb der NATO übernommen und pflegt das besonders innige Verhältnis zur türkischen Regierung trotz immer wieder zur Schau getragener taktischer Uneinigkeit. Daher wurde bereits Jahre vor dem Erlass des PKK-Verbots Druck auf die Bewegung ausgeübt, eigentlich seit den 1980er Jahren, als sich die Bewegung auch in Deutschland zu organisieren begann. 1986, ein Jahr nach der Gründung der Volksbefreiungsfront Kurdistans (ERNK), hatte die Bewegung zu einer großen Newroz-Feier in Duisburg aufgerufen. Die Feier wurde verboten und gewaltsam verhindert, da das Gerücht aufgekommen war, Abdullah Öcalan würde in Duisburg auftreten und reden, was der Staat mit allen Mitteln verhindern wollte. An dieser Repression hält er in verschiedenen politischen Variationen und mit unterschiedlichen rechtlichen Werkzeugen bis heute fest. […]“ (Kampagne HD (2020): Staatlicher Interessensausgleich auf Kosten gesellschaftlicher Befreiung. In: „Halim Dener – Gefoltert. Geflüchtet. Verboten. Erschossen“)

Flucht aus Nordkurdistan in den 1990er Jahren

Zu Halims Schicksal gehört aber auch die Geschichte von der Flucht nach Deutschland, in diesem Fall eines unbegleiteten Minderjährigen, der sich allein von Kurdistan bis nach Hannover durchschlug, nachdem türkisches Militär seinen Heimatort angegriffen und ihn und ihm Nahestehende gefoltert hatte. Es handelt sich hier um einen Jugendlichen, der sein Zuhause verlassen und in eine ihm fremde Gesellschaft fliehen musste, als Asylsuchender wie viele andere kurdische Jugendliche Anfang der 1990er Jahre. Was treibt aber einen 16-jährigen Jugendlichen zur Flucht?

In den 1980er und 1990er Jahren wurden regelmäßig Razzien des türkischen Militärs in den kurdischen Dörfern durchgeführt. Der Aufstand der kurdischen Bevölkerung wurde von der türkischen Regierung nicht mit politischen Mitteln und Gesprächen mit der damals politisch arbeitenden kurdischen Opposition beantwortet, sondern mit brutalem militärischem Einsatz und Krieg, der keine Rücksicht auf die Zivilbevölkerung nimmt. Die Kurd:innenfrage ausschließlich mit militärischen Mitteln lösen zu wollen, gehört auch heute zu den wichtigsten Fluchtgründen der Kurd:innen aus Kurdistan. Neben dem Militäreinsatz und dem über kurdische Gebiete verhängten Kriegsrecht wurde hier vom türkischen Staat eine Politik der Entvölkerung und Vertreibung sowie eine systematische Vernichtung agrarischer Lebensgrundlagen und die Zerstörung kurdischer Siedlungen betrieben. Hunger, die Schließung von Gesundheitszentren sowie eine hohe Kindersterblichkeit in Nordkurdistan taten ihr Übriges, um Kurd:innen zur Flucht zu bewegen. So kam jede:r fünfte in Deutschland anerkannte Asylbewerber:in in den 1990er Jahren aus Kurdistan. Die aggressive Stimmung gegen Kurd:innen Anfang der 1990er Jahre lässt sich mit einem Zitat der türkischen Präsidentin Tansu Çiller anlässlich des Wahlkampfes beschreiben: „Jede Stimme für mich, ist eine Kugel gegen die PKK“. Dem Bericht einer Untersuchungskommission des türkischen Parlaments von 1998 zufolge wurden zu diesem Zeitpunkt insgesamt 3.428 Dörfer zerstört und drei Millionen Kurd:innen zu Flüchtlingen. 5.500 Zivilist:innen wurden in diesem brutalen Krieg getötet, 17.000 verletzt. 2.200 von 5.000 Schulen und 740 von 850 Gesundheitsstationen wurden geschlossen. Hinzu kamen Maßnahmen des Staates wie Weideverbot und Verminung der Almwege. In diesen Jahren haben insgesamt (von 1987 bis 2000) ca. 300.000 Kurd:innen in der BRD Asyl beantragt. An Aktualität hat die Flucht von Kurd:innen auch heute nicht verloren. Laut BAMF waren beispielsweise 2016 etwa 29 Prozent aller Geflüchteten aus Syrien Kurd:innen. (Kampagne HD (2020): Zu den Hintergründen der Flucht von Kurd:innen in den 1990er Jahren. In: „Halim Dener – Gefoltert. Geflüchtet. Verboten. Erschossen“)

Rassistische Polizeipraxis

Parallel zu der beschriebenen Situation in Kurdistan und der Türkei wurde hier in der BRD nach dem PKK-Verbot gegen Kurd:innen Anfang der 1990er Jahre in der politischen und medialen Öffentlichkeit aggressiv Stimmung gemacht. In den Medien wurde eine umfassende Hetze betrieben und ein Klima der Angst erzeugt. „Neue Dimension des Terrors“ war eine Schlagzeile. Federführend dabei war der damalige Bundesinnenminister Kanther. Er forderte die Abschiebung aller Kurd:innen. Der Polizei wurde freie Hand gegeben. Auf den Polizeiwachen hingen Plakate mit dem Hinweis: „Kurden nur mit gezogener Waffe kontrollieren“. Generalbundesanwalt Kurt Rebmann erklärte damals die PKK zum „Hauptfeind der inneren Sicherheit“. Die sogenannten verdachtsunabhängigen Kontrollen aller Schwarzköpfe – so der Jargon der Polizei – war an der Tagesordnung. Die Kontrollen wurden nicht selten mit gezogener Waffe durchgeführt. Heute heißt das Vorgehen racial profiling und ist immer noch und immer wieder tödlich für die Betroffenen. Wir erinnern an Oury Jalloh und Christy Schwundeck und etwa 200 weitere Todesfälle seit 1990 von Schwarzen Menschen, People of Color und von Rassismus betroffenen Personen in Gewahrsam und durch Polizeigewalt in Deutschland.

Tischbild gegen Polizeigewalt auf dem Halim-Dener-Platz soll weg

Die Stadt Hannover will ein großes Tischgemälde gegen Polizeigewalt, das im Rahmen des Gedenkens und der Proteste zum 27. Todestag von Halim Dener entstanden ist, auf dem Halim-Dener-Platz entfernen lassen.
Link: https://anfdeutsch.com/aktuelles/-28105

Im Rahmen des Gedenkens und der Proteste zum 27. Todestag von Halim Dener ist auf dem Halim-Dener-Platz in Linden-Nord ein großes Tischgemälde entstanden. Die Stadt Hannover will es nun entfernen lassen.

Auf dem Halim-Dener-Platz steht ein langer Tisch, der 2017 im Rahmen der Umgestaltung bemalt wurde. Dafür erhielt eine Künstler:innengruppe um Jascha Müller den Auftrag von der Stadt Hannover. Jascha Müller hatte sich damals ausbedungen, den Tisch erneut bemalen zu können. Das wurde ihm auch genehmigt. „Ich habe diese Genehmigung vom Fachbereich Umwelt, Stadtgrün, Planung und Bau schriftlich“, so Jascha Müller. „Nicht sexistisch und nicht rassistisch sollte der Inhalt des Graffiti sein, eine richtige Beschränkung.“

Am 3. Juli 2021 wurde der Tisch im Rahmen der Gedenk- und Protestaktionen anlässlich des Todestages von Halim Dener neu gestaltet und bemalt. „Der Tisch ist den Opfern rassistischer Polizeigewalt gewidmet“, so Dirk Wittenberg von der Kampagne Halim Dener.

Kurze Zeit später, am 14. Juli, wurde Jascha Müller von einem Mitarbeiter der Stadt Hannover angerufen. Jetzt hieß es mit einem Mal, ein Graffiti mit politischer Aussage könne nicht zugelassen werden, die Stadt werde das Graffiti übermalen.

Für Dirk Wittenberg von der Kampagne Halim Dener ist das ein Déjà-vu-Erlebnis. Schon 2014 hatte die Stadt damit gedroht, ein Wandgemälde zu Halim Dener im Unabhängigen Jugendzentrum Kornstraße (UJZ Kornstraße) zu übermalen. Seinerzeit erklärte der Ordnungs- und Rechtsdezernent Hansmann auf einer Veranstaltung im Pavillon, dass die Stadt von sich aus nicht aktiv geworden wäre. Sie wäre damals allerdings von der Polizei gebeten worden, gegen das Gemälde vorzugehen, und das habe man dann auch gemacht.

Dirk Wittenberg geht auch diesmal davon aus, dass die Stadt nicht von sich aus aktiv geworden ist: „Wir können es nicht beweisen, aber wir halten es für sehr wahrscheinlich, dass es auch diesmal eine Intervention der Polizei bzw. des Staatsschutzes gegeben hat und die Stadt folgt brav. Das ist besonders peinlich, denn die Stadt tut so, als wäre ihr der Zusammenhang von politischer Kritik und Kultur ein Herzensanliegen. Hier aber wo es wehtut, wo es ein Engagement aus der Gesellschaft gibt, fällt ihr wieder mal nur eines ein: verschwinden lassen und aus dem öffentlichen Raum verbannen. Wenn es um Kritik an rassistischer Polizeigewalt geht, wenn es um Halim Dener geht, dann bleibt alles so wie die letzten 25 Jahre – Repression.“

Für ein würdiges Gedenken: Halim Dener ist kein Einzelfall

Vor 27 Jahren ist Halim Dener in Hannover von einem Polizisten erschossen worden. Am Tatort findet heute eine Gedenkkundgebung statt, am Samstag eine Demonstration gegen rassistische Polizeigewalt.
Link: https://anfdeutsch.com/aktuelles/-27043

Am 30. Juni 1994 – vor 27 Jahren – ist Halim Dener im Alter von gerade einmal 16 Jahren in Hannover von einem SEK-Polizisten erschossen worden. Der junge Kurde stammte aus Çewlîg (tr. Bingöl) und war kurz vor seinem Tod aufgrund des Staatsterrors aus der Türkei nach Deutschland geflüchtet. Für die tödlichen Schüsse in den Rücken ist niemand verurteilt worden.

Am Tatort am Steintor in Hannover findet heute um 19 Uhr aus Anlass des Todestages eine Gedenkkundgebung statt. Am Samstag ist eine Demonstration gegen rassistische Polizeigewalt angekündigt, mit der die Aufklärung der Morde an Halim Dener und allen anderen Todesopfern gefordert wird. Das „Bündnis in Gedenken an Halim Dener“ teilt dazu mit:

Rassistische Polizeigewalt hat System! Staatlicher Rassismus tötet!

Der Tod von Halim Dener hat viele Facetten: Er steht nicht nur exemplarisch für die ständige Kriminalisierung der Solidarität mit dem kurdischen Befreiungskampf. Er zeigt auch, wie eine sich gegenseitig deckende Polizei und Justiz unbeschadet aus der Verantwortung ziehen kann, wenn Menschen durch ihre Hand ihr Leben lassen. Halim Deners Tod zeigt beispielhaft, dass von Rassismus betroffene Menschen in der BRD einem besonders hohen Risiko ausgesetzt sind, ihr Leben durch den Staat und seine rassistischen Institutionen zu verlieren.

Halim Dener ist kein Einzelfall: Seit 1990 sind in der BRD mindestens 183 Schwarze Menschen, People of Colour und andere Personen in Gewahrsam bzw. durch Polizeigewalt gestorben. Diese erschreckende Zahl zeigt, dass der Zusammenhang von Rassismus und staatlicher Gewalt, gegen den Vertreter:innen von Communities of Color seit Jahren ankämpfen, in vielen Fällen im Tod der Betroffenen gipfelt. Schwarze Menschen und People of Color sind alltäglich von institutioneller Gewalt betroffen. Racial Profiling, die Verweigerung gesundheitlicher Versorgung in Abschiebehaft oder körperliche Übergriffe in U-Haft: das ist ein tödliches Risiko.

Die alltäglichen rassistischen Übergriffe deutscher Sicherheitsbehörden und ihre hundertfache tödliche Eskalation in den letzten Jahrzehnten lassen sich mit Blick die deutsche Geschichte als historische Kontinuität begreifen. Sie sind u.a. Ergebnis einer inkonsequenten Entnazifizierung: So waren nach der Zerschlagung des Nationalsozialismus in sämtlichen Institutionen – vom Verfassungsschutz über die Kriminalämter bis zur Bundeswehr – Nationalsozialist:innen tätig. Heute zeigt sich dies in Praktiken und Theorien dieser Behörden – und letztlich in der Verstrickung in rechte Netzwerke wie den NSU (2.0), Nordkreuz…

Rassistische Gewalt ist ein fester Bestandteil der Institution Polizei, historisch wie gegenwärtig. Die Polizei ist schlichtweg nicht zu unser aller Schutz gemacht. Gleichzeitig wird sie von Seiten der politischen Entscheidungsträger:innen durch immer mehr Befugnisse ermächtigt, die neoliberal verursachten sozialen Probleme und Konflikte auf ihre Weise zu lösen: Durch Gewalt in Form von körperlichen Angriffen, Strafverfolgung, und Haftstrafen. Praktiken wie das Racial Profiling und die Tatsache, dass es Strafbestände und juristische Haftgrundlagen gibt, die lediglich Menschen ohne deutschen Pass betreffen können (etwa „illegale Einreise“ oder „Residenzpflicht“), führen zu einem massiven Ungleichgewicht zulasten der rassistisch markierten Personen in diesem Land.

Wir rufen daher dazu auf, eure Wut über diese Verhältnisse auf die Straße zu tragen! Zu viele Menschen haben aufgrund rassistischer Zuschreibungen staatlicherseits ihr Leben lassen müssen! Zu viele von Rassismus betroffene Menschen sehen sich tagtäglich dem Risiko ausgesetzt, in die tödliche „Obhut“ des Staates zu geraten!

„Den Opfern gedenken und ihre Kämpfe weiterführen“

Gleichzeitig wollen wir den Opfern von Polizeigewalt gedenken und ihre Kämpfe weiterführen. Halim Dener ist als Jugendlicher vor dem türkischen Folterstaat in die BRD geflohen. Seinem Widerstand gegen die türkische Aggression gegenüber Kurdinnen und Kurden hat er hier in Hannover mit Plakaten Ausdruck verliehen. Am Steintor wurde er dabei schließlich ermordet. Was ihm hier zum Verhängnis wurde, ist neben der von Rassismus durchzogenen Polizei letztlich auch eine Außenpolitik, die die Bundesregierung bis heute konsequent verfolgt: Ganz im Sinne des AKP-Regimes geht die BRD rigoros gegen all jene vor, die sich mit der kurdischen Freiheitsbewegung solidarisieren. Anstatt die Bemühungen um eine progressive Gesellschaft, die auf Geschlechterbefreiung, Ökologie und Basisdemokratie aufbaut, zu unterstützen, kriminalisiert die BRD all jene, die das tun und versorgt den türkischen Staat mit Waffen für die Zerstörung dieser gelebten Utopie. Die deutschen Sicherheitsbehörden verwischen dabei die Grenzen von Innen- und Außenpolitik und nutzen jeden Vorwand, um gegen die kurdische Freiheitsbewegung in Deutschland vorzugehen.

Kommt also zur Kundgebung am 30. Juni! Kommt zur Demo am 3. Juli und seid laut! Für all jene, die aufgrund rassistischer Zuschreibungen tagtäglich Polizeigewalt erleben! Für Gerechtigkeit für Halim Dener, Oury Jalloh, Aman Alizada und alle, die durch die tödliche Eskalation institutioneller rassistischer Gewalt ihr Leben lassen mussten! Für die vollständige Aufklärung der Todesumstände von Qosay Khalaf! Schluss mit der militärischen Zusammenarbeit mit dem faschistischen AKP Regime! Schluss mit der Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung! Weg mit dem Verbot der PKK! Halim Dener – Das war Mord!