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Todestag von Halim Dener: 1.600 Menschen bei „Kämpfe verbinden“-Demonstration

In Hannover ist Halim Dener gedacht worden – mit einer Demonstration unter dem Leitspruch „Kämpfe verbinden“. Anlass war der 30. Todestag des kurdischen Jugendlichen, der 1994 von einem SEK-Polizisten erschossen wurde.

Etwa 1.600 Menschen kamen in Hannover am Sonnabend zusammen, um anlässlich des 30. Todestages von Halim Dener zu gedenken und unter dem Motto „Kämpfe verbinden“ zu demonstrieren. Der damals 16-jährige kurdischen Jugendliche war erst wenige Wochen zuvor vor dem Krieg in Kurdistan in die Bundesrepublik geflüchtet, als er am 30. Juni 1996 in Hannover von einem SEK-Polizisten erschossen wurde.

Die Veranstaltung begann um 13 Uhr am Steintor, wo zahlreiche Teilnehmende Kerzen, Blumen und Bilder am Ort der Ermordung von Halim Dener niederlegten.

Aydin Dener, der Bruder des Verstorbenen, sprach bei der Auftaktkundgebung und betonte die Bedeutung der Demonstration: „Diese Demonstration ist wertvoll, weil sie zeigt, dass Halim nicht vergessen wurde.“ Seine Worte trafen auf große Resonanz und wurden von den Anwesenden mit der Parole „Şehîd namirin“ (Gefallene sind unsterblich)“ und Beifall unterstützt.

Die Rote Hilfe erinnerte in ihrer Rede an weitere Opfer polizeilicher Gewalt in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, darunter Amad Ahmad und Lamin Touray.
Die Kampagne Halim Dener hob die Wichtigkeit eines offiziellen und würdevollen Gedenkortes hervor und kritisierte die Stadt Hannover dafür, dass der Stadtratsbeschluss, zum 30. Todestag eine Infotafel aufzustellen, nicht umgesetzt wurde.

Die Demonstration wurde von einem kraftvollen Frauen- und Jugendblock angeführt, der dutzende Bilder von Halim Dener mit sich führte. Immer wieder wurden Luftballons mit den Symbolen der PKK, YPG und YPJ gezeigt und so gegen die Verbote dieser Symbole in Deutschland protestiert. Auf einem Baugerüst an der Universität Hannovers wurde eine riesige PKK-Fahne entrollt und dazu Pyrotechnik gezündet, was aus der Demonstration mit viel Applaus und lauten Parolen begeistert aufgenommen wurde. Auch entlang der Demonstrationsroute waren die Symbole an Mauern gesprüht und so allgegenwärtig, wenn auch teilweise von der Polizei mit Mülltüten abgeklebt.

Während der Zwischenkundgebung beim türkischen Konsulat am Klagesmarkt sprach unter anderem eine Sprecherin der feministischen Organisierung „Gemeinsam Kämpfen – Für Selbstbestimmung und Autonomie“. In der Rede wurde das Demokratiedefizit der BRD hervorgehoben, die durch das PKK-Betätigungsverbot alle kurdischen Selbstorganisierungen und Aktivitäten nach der Gleichung „Kurde = PKK = Terror“ unter Generalverdacht stelle. Gefordert wurde die Aufhebung des PKK-Verbotes.

Die Abschlusskundgebung fand am Halim-Dener-Platz statt, wo die Teilnehmer:innen ihre Forderungen nach Gerechtigkeit und Anerkennung erneuerten. Trotz des friedlichen Verlaufs der Demonstration kam es zu Repressionen und polizeilicher Willkür.
Insgesamt wurden während der Demonstration drei Personen festgehalten, nach der Veranstaltung nochmals zwei. Zudem gab es zahlreiche Kontrollen auf der Limmerstraße und der Dornröschenbrücke.

Die Beteiligten der Demonstration machten deutlich, dass das Andenken an Halim Dener weiterhin lebendig gehalten wird und die Forderung nach Gerechtigkeit ungebrochen ist.

Hinweis:
Hier wurde der Artikel auf deutsch veröffentlicht. Hier gibt es den Artikel auf türkisch.

Aktuelle Infos zur Demonstration „Kämpfe verbinden“

Ermittlungsausschuss EA Hannover

Bis zur Demo wurden über 20 Informations- und Diskussionsveranstaltungen in verschiedenen Städten durchgeführt und neben der gut besuchten Konferenz am 29.06.2024 fanden auch Gedenk- und Plakatieraktionen am Todestag statt. Mittlerweile unterstützen 30 Organisationen und Initiativen den Aufruf zur Demo. Dutzende weitere Gruppen und initiativen mobilisieren zur Demo am 06.07.2024. Aus zahlreichen Städten werden gemeinsame Anreisen mit Bussen oder Zügen geplant. Vorkontrollen, vor allem der Busse und am Hannover Bahnhof, sind möglich, werden aber bisher nicht erwartet.

Route

Auftakt der Demonstration wird um 13 Uhr in Hannover am Steintor sein, dem Ort, an dem Halim erschossen wurde.
Nach der Auftaktkundgebung am Steintorplatz wird die Demonstration über Goseriede – am Klagesmarkt bis nördlichem Klagesmarkt / Ecke Arndtstraße laufen und am türkischen Konsulat eine Zwischenkundgebung abhalten, um an Halim zu erinnern.
Dann gehts weiter über Schloßwender Straße – Königsworther Platz – Königsworther Straße – Spinnereistraße – Limmerstraße – Pfarrlandstraße bis zum Halim-Dener-Platz (Rasenplatzfläche zwischen Velvetstraße, Pfarrlandstraße und Wilhelm-Bluhm-Straße). Hier auf dem Halim-Dener-Platz findet eine Abschlusskundgebung statt. Von hier aus können sich alle Teilnehmer*innen gemeinsam auf den Nachhauseweg machen.

Ziel der Demo ist es, Halim zu seinem 30. Todestag angemessen zu gedenken und die verschiedenen Kämpfe, die sich in seiner Geschichte ausdrücken, auf die Straße zu tragen.
Daher wird von der Demo keine Eskalation ausgehen und sie wird sich nicht provozieren lassen, weder von der Polizei noch von Faschist*innen und Rassist*innen.
Allerdings besteht die Kampagne entschlossen darauf, mit der Demonstration dem Anlass angemessen zu gedenken und zu demonstrieren.

EA-KONTAKT

An Tag der Demonstration wird die Nummer des Ermittlungsausschusses Hannover im Falle von Repression erreichbar sein: 0511 16 14 765
Ruft den EA an, wenn ihr Festnahmen- oder Ingewahrsamnahmen beobachtet oder davon betroffen seid. Besteht auf eurem Anruf! Teilt uns die Namen, Geburtsdaten, Meldeadressen und Staatsangehörigkeiten der Betroffenen mit, aber behaltet Namen von Beobachter*innen für euch!
Bei Bullen & Co: Keine Aussagen! Nichts unterschreiben!

TEKELÎ YA KOMÎSYONA LEKOLÎNÊ

Tekelî ya Komisyona Lekolînê: 0511 16 14 765
Dema hûn hatin girtin an jî hatin bin çavkirin li me bigerin. Mafê xwe yê telefonê bikarbînin! Nav, rojbûn, adres û danustandina hemwelatî bi me re parvabikin, lê belê navê kesên çawder li cem xwe bihelinin û parvanekin! Em bi Kurdî, Tirkî û Elmanî bersiv didin telefona we. Dema li ser we zext û zordarî hebe bêdudilî tavilî li me bigerin. Ji bo tiştên cûda yên din em nikarin bibin alîkar.
Em bi kêyfxweşî piştkiriyê dikin!
Tu tiştî ji polisan re nebejin û tu tîştekî deşnişan nekin!
Bi telefonê xwe dîmena nekişînin!
Li ser facebookê (digital media) weşana zindî nekin!

Bericht der Konferenz „Kämpfe verbinden“

Begrüßung auf der Konferenz mit mehr als 130 Teilnehmer:innen

„Kämpfe verbinden“-Konferenz in Gedenken an Halim Dener

Am Samstag, dem 29.06. fand im Pavillon Hannover eine Konferenz unter dem Motto „Kämpfe verbinden“ statt. Organisiert wurde die Konferenz in Gedenken an Halim Dener, einem kurdischen Jugendlichen, der vor 30 Jahren, am 30.06.1994 in Hannover am Steintor von einem Polizisten erschossen wurde. Vor 10 Jahren hat sich die Kampagne Halim Dener in Hannover zusammengefunden, um sich für ein würdevolles Gedenken an den Jugendlichen einzusetzen.

An der „Kämpfe verbinden“-Konferenz, die zum 30. Jahrestag des Todes von Halim Dener organisiert wurde, nahmen über 130 Personen teil und zahlreiche Organisationen und Initiativen aus Hannover und ganz Deutschland waren vertreten. In einer angeregten Atmosphäre haben sich die Teilnehmenden miteinander vernetzt und politische Perspektiven ausgetauscht.

Begonnen wurde die Konferenz mit einer Begrüßungsrede der Kampagne Halim Dener und einer Schweigeminute zum Gedenken an Halim Dener sowie weiterer Menschen, für die Halim’s Biographie auch steht und allen, die im Kampf für Freiheit ihr Leben gelassen haben. In der Begrüßungsrede wurden die Kämpfe gefoltert, geflüchtet, verboten, erschossen aus Halim’s Biographie ausgeführt, die stellvertretend auch heute für die Realität vieler anderer Menschen stehen. So heißt es am Ende der Begrüßung: „Lasst uns heute gemeinsam den Tag beginnen mit den Worten: Gefoltert. Geflohen. Verboten. Erschossen. Kämpfe verbinden! Wie Abdullah Öcalan sagt: „Eine andere Welt ist möglich. Wir können sie schaffen, wenn wir zusammenkommen und kämpfen. [Wenn wir] zusammen das hier und jetzt mit dem richtigen und dem schönen Leben beginnen.“

Die Situation ist eine des Chaos

Übergeleitet wurde dann in die Einordnung der politischen Lage durch den Journalisten und Aktivisten Tim Krüger. Darin wurden die globalen Verbindungen zwischen den Staaten und ihr Konkurrieren in der kapitalistischen Weltordnung beschrieben. Mit dem ziehen der Verbindungen nach Kurdistan, Europa und Deutschland wurde die Bedeutung der globalen Dimension des Kapitalismus für die lokalen Kämpfe deutlich.

„Als die Friedrich-Ebert-Stiftung, die der SPD nahesteht, im Jahr 2022 zu einer Konferenz eingeladen hat, um über die zukünftige Rolle der Bundesrepublik Deutschland im Weltgeschehen zu diskutieren, da hat der jetzige SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil die Eröffnungsrede dieses Symposiums gehalten. Bei dem Treffen waren verschiedene Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Sicherheitspolitik, aber auch der Rüstungsindustrie, verschiedene Politiker der SPD, aus der Bundesregierung vertreten und haben darüber diskutiert, wie Deutschland sich wappnen kann, wie die Bundesrepublik Deutschland die Zeitenwende, die am 27. Februar 2022 eingeleitet worden ist, erfolgreich umsetzen kann und selbst wieder, so hat es Lars Klingbeil gesagt, nach 80 Jahren der Zurückhaltung zu einem Akteur in dieser Welt werden kann, der prägenden Einfluss auf das Weltgeschehen nimmt. Lars Klingbeil hat seine Rede mit einem Zitat des italienischen Revolutionärs und Philosophen Antonio Gramsci begonnen. Er hat gesagt „Gramsci hat gesagt, die Definition von Krise, die Definition von Chaos ist, wenn die alte Ordnung zerbrochen ist, aber die neue Ordnung noch nicht geboren worden ist.” Und Lars Klingbeil hält in seiner Rede fest, dass das genau die Definition der Situation ist, in der wir uns jetzt gerade auf dieser Welt befinden. Ich würde Lars Klingbeil in vielen Punkten nicht zustimmen, aber in dem Punkt würde ich ihm Recht geben. In dem Punkt hat er den Nagel auf den Kopf getroffen. Und er geht noch weiter, er sagt, wir befinden uns in einer Situation des Chaos. Und in einer Situation des Chaos ist es unklar, was aus dieser Situation erwachsen wird, welche politische Ordnung, welche wirtschaftliche Ordnung, welche gesellschaftliche Ordnung wir in Zukunft auf dieser Welt vorfinden werden. In den nächsten zehn Jahren, welche Weltordnung aus der aktuellen Chaos-Situation entstehen wird oder nicht, das ist zu dem jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend geklärt. Und es wird davon abhängen, welche Akteure
in der Lage sind, sich besser vorzubereiten. Welche Akteure besser in der Lage sind, ihr Projekt zum richtigen Zeitpunkt vorzustellen und durchzusetzen. Und zum richtigen Moment auch die nötige Initiative und den nötigen Mut zu beweisen, in die Lage einzugreifen, wie die Situation ausgehen wird. Deswegen sagt er, müssen wir uns vorbereiten. Deswegen sagt er, als Bundesrepublik Deutschland müssen wir bereit sein. Wir müssen über die militärischen und die ökonomischen Machtmittel verfügen, um selbst dieser neuen Weltordnung unseren Stempel aufzudrücken. Tatsächlich können wir sagen, dass die Situation, in der wir uns gerade befinden, eine Situation des Chaos ist.“

„Unsere andere Weltordnung, die existiert schon heute“

„Wenn wir darüber sprechen wollen, wie wir die Welt verändern können, wie wir selbst eingreifen können, in das, was sich tagtäglich vor unseren Augen entfaltet, dann müssen wir zuallererst sagen, dass die Grundbedingung, um die Welt zu verändern, das Verständnis von dieser Welt ist. Wer etwas verändern möchte, muss zuallererst verstehen, was ist um uns herum. Wer selbst eingreifen möchte in die Geschehnisse, muss verstehen, in welche Richtung entwickelt sich die politische Lage, was sind die Dynamiken, die sie vorantreiben, was sind die möglichen Richtungen, in die sich der politische Prozess entwickeln wird. Je besser wir in der Lage sind, das zu definieren, desto mehr werden wir auch in der Lage sein, zu einer Kraft zu werden, die den Hebel an der richtigen Stelle ansetzt, die zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Antworten auf die richtigen Fragen findet. Und deswegen ist es richtig, eine solche Konferenz auch mit einer Bewertung der politischen Lage zu beginnen […]. Wir leben auch in einer Zeit von großen sozialen Bewegungen. Unsere Seite der Geschichte, nicht die Seite der Herrschenden, die existiert schon heute. Unsere andere Weltordnung, die existiert schon heute. Der einzige Unterschied, den wir zu Ihnen haben, ist, dass wir noch nicht organisiert sind. Und das ist etwas, das wir angehen müssen. Das ist etwas, das wir mit dieser Konferenz heute auch hier in Deutschland weiter vorantreiben könnten.“

Notwendigkeit des Erfahrungsaustausches

Anschließend wurden in Kleingruppenphasen Diskussionen anhand der vier Schlagworte geführt, die auch Halims Biographie prägen: gefoltert, geflohen, verboten, erschossen. Die Gruppen Rheinmetall Entwaffnen, Flüchtlingsrat Niedersachsen und Solinet, Rechtshilfefonds Azadî und Solikreis Bilel gaben darin je einen kurzen Vortrag zu eigenen Arbeiten, Herausforderungen, Erfolge, und Vernetzung und öffneten die Diskussion. Auch wurden die Gruppendiskussionen mit Leitfragen zum Nachdenken angeregt.

Die Arbeit der Kleingruppen wurde in Form einer Diskussion mit allen Teilnehmer:innen zusammengeführt. Fragen davon, was wir aktuell brauchen, um unsere Kämpfe zu verbinden, wie wir gegen Resignation ankämpfen können, was unsere gemeinsame Strategie sein kann und wie wir nach der Konferenz konkret weiterarbeiten und erneut zusammenkommen werden, wurden diskutiert.
Insbesondere die Notwendigkeit des Erfahrungsaustausches wurde betont und dementsprechend auch von Räumen wie die Konferenz, die dies ermöglichen. Der weit verbreiteten Resignation wurden die Organisierung und die daraus entwickelte Moral wie auch eine Verbundenheit mit Kämpfen auf der ganzen Welt entgegengestellt. In dem Kontext wurden auch ein Individualismus und eine Bequemlichkeit kritisiert, die häufig auch in der Linken vorherrschend ist: Es gehe nicht darum, dass unsere Kämpfe möglichst angenehm sind, sondern sie erfordern, wenn wir erfolgreich sein wollen, auch eine große Anstrengung und Willensstärke. Außerdem wurde die fehlende feministische Perspektive in der Konferenz kritisiert und die Notwendigkeit betont, die Verbindung der Themen zu der Unterdrückung der Frau und weiterer Geschlechter zu ziehen und unsere Perspektiven auf dieser Grundlage zu entwickeln. Abschließend wurde die Idee einer Hannover-weiten Vollversammlung aufgebracht, zu der möglichst breit eingeladen werden soll um als demokratische Kräfte zusammenzukommen und Perspektiven zu entwickeln. Dies könne auch in weiteren Orten umgesetzt werden.

„Unsere Geschichten entfalten sich nie isoliert“

Zum Abschluss wurde die Planung einer Hannover weiten Vollversammlung festgehalten. Diese wurde um die Idee ergänzt, aus diesem Rahmen Delegationsreisen zu politischen Gefangenen auf der gesamten Welt durchzuführen. Auch wurde in der Planung festgehalten auf dem Rheinmetall Entwaffnen Camp die Diskussion fortzusetzen. Geschlossen wurde der Tag mit den Worten Angela Davis‘: „Unsere Geschichten entfalten sich nie isoliert. Wir können nicht wirklich erzählen, was wir für unsere eigene Geschichte halten, ohne die Geschichten der anderen zu kennen. Und oft entdecken wir, dass diese anderen Geschichten eigentlich unsere eigenen Geschichten sind.“

Zudem wurde erneut betont, weshalb es wichtig ist, auch auf der Straße die Kämpfe zu verbinden und gemeinsam an der Großdemonstration am kommenden Samstag, 06.07.2024 teilzunehmen. Auftakt ist um 13 Uhr auf dem Steintorplatz.

Hinweis: Hier wurde der Artikel auch veröffentlicht. Und hier auch auf türkisch und hier auch auf kurdisch verfügbar.

INTERVIEW IN DER TAGESZEITUNG „JUNGE WELT“

»Die Erinnerung an ihn steht für viele Kämpfe«
»Kampagne Halim Dener« erinnert an den vor 30 Jahren erschossenen Jugendlichen. Konferenz in Hannover geplant.
Interview: Gitta Düperthal

Link: https://www.jungewelt.de/artikel/477643.b%C3%BCndnispolitik-die-erinnerung-an-ihn-steht-f%C3%BCr-viele-k%C3%A4mpfe.html?sstr=halim%7Cdener

Mit der Parole »Kämpfe verbinden!« ruft die »Kampagne Halim Dener« für den 29. Juni zu einer Gedenkkonferenz für den 16jährigen Aktivisten auf, der am 30. Juni 1994 von der Polizei in Hannover erschossen wurde. Für den 6. Juli rufen Sie außerdem zu einer Demonstration auf.

jw: Wie kam es zu der Gewalttat durch einen Polizisten vor 30 Jahren?
Damals tobte ein schmutziger Krieg der Türkei im eigenen Land gegen Nordkurdistan, bis an die Grenze nach Syrien oder dem Irak – mit Hilfe der NATO und Deutschlands. Unter der Zivilbevölkerung in kurdischen Städten gab es viele Opfer. Mehr als 3.500 Dörfer wurden niedergebrannt. Auch mit Panzern aus alten NVA-Beständen wurde dort aufgefahren und gemordet. Diese Politik der verbrannten Erde geschah unter Beteiligung der deutschen Bundesregierung.
Halim wurde damals als Minderjähriger im Widerstand dagegen festgenommen und gefoltert. Er musste nach Deutschland flüchten und beantragte Asyl. Hier landete er wieder in einer Atmosphäre, in der ein Spezialkrieg gegen Kurdinnen und Kurden geführt wurde. 1993 war das PKK-Verbot verhängt worden: Kurde gleich PKK, gleich Terrorist; Vereine wurden geschlossen etc. All das passierte, was wir heute noch kennen. Kurdinnen und Kurden wurden ihrer Rechte beraubt. Halim klebte damals am 30. Juni 1994 Plakate der Volksbefreiungsfront Kurdistans, kurz ERNK, um für ein Ende des schmutzigen Krieges und gegen das Verbot der Arbeiterpartei Kurdistans, die PKK, zu protestieren. Dabei wurde er von den SEK-Polizisten in Zivil Klaus T. und Frank H. überrascht. Bei der Festnahme schoss man ihm in den Rücken. Er starb an der Verletzung.

jw: Weshalb wurde der Beamte nach einem drei Jahre dauernden Prozess freigesprochen?
Der Prozess stand sinnbildlich für den rassistischen Generalverdacht gegen die Kurdinnen und Kurden. Seine Familie durfte zunächst nicht am Gerichtsverfahren teilnehmen, das musste erst erkämpft werden. Sie musste Leibesvisitationen über sich ergehen lassen, der Täter dagegen trat in voller Kampfmontur auf. Das Gericht kam zum Ergebnis, dem Polizisten Klaus T. sei vermeintlich in »einer Stresssituation« ein Schuss losgegangen: Ein voll ausgebildeter Polizist schießt also einen Jugendlichen aus einer Entfernung von 25 Zentimetern unbeabsichtigt in Rücken! Der Schütze wurde von seinem Kollegen gedeckt, Schmauchspuren wurden beseitigt. Im Februar dieses Jahres kam heraus, dass Frank H. bei den Putschplänen der Reichsbürger um Prinz Reuß eine gewichtige Rolle spielte. Ein Teil der Geschichte ist eine bis heute politisch unaufgearbeitete Entwicklung der Polizei und deren oft fehlgeleitete staatliche Gewalt.

jw: In der Unterzeile zur Kampagne zum 30. Todestag heißt es »Gefoltert. Geflüchtet. Verboten. Erschossen«. Was ist das Ziel?
Vor dem Hintergrund, dass immer mehr migrantische Menschen von der Polizei bedroht oder liquidiert werden, wollen wir fortschrittliche und linke gesellschaftliche Kräfte zusammenbringen. Die Erinnerung an Halim Dener steht zudem für andere Kämpfe, die sich in seiner Geschichte widerspiegeln: Wir müssen uns damit auseinandersetzen, warum Menschen fliehen; vor Krieg, politischer Verfolgung oder Folgen des Klimawandels. Die Bundesregierung aber ist bereit, zunehmend von der AfD propagierte Phantasien der »Remigration« umzusetzen. Die Menschenwürde wird mit Füßen getreten; Gesetze, die sie schützen, sind ausgehöhlt. Unsere Kampagne fordert nicht nur »Weg mit dem Verbot der PKK«, wir wollen die Menschenrechte, die sozial-ökologische und demokratische Entwicklung fördern.

jw: Und wie gelingt die Mobilisierung bislang?
Wir sprechen von der Mitte der Gesellschaft bis in die radikale Linke bundesweit Menschen an. Unseren Aufruf haben 30 Gruppen, Initiativen und Organisationen unterschrieben. Seit Wochen finden Veranstaltungen statt. Eine breite Palette von der Ökologie- bis zur feministischen und migrantischen Bewegung ist beteiligt, um internationalistische und antirassistische Kräfte zu sammeln und so ein Gegengewicht zur Teile- und Herrsche-Politik, der Hetze, Aufrüstung und Kriegführung zustande zubringen.

Hinweis:
Die investigative Recherchearbeit der HAZ zur Verwicklung von Frank H. bei den Putschplänen gibts hier.

Interview in ak analyse & kritik – Zeitung für linke Debatte & Praxis

In Kurdistan verfolgt, im Exil getötet
Vor 30 Jahren wurde Halim Dener erschossen – bei den Gedenkaktionen geht es um mehr als Erinnerungsarbeit

Von Hêlîn Dirik
Link: https://www.akweb.de/bewegung/in-kurdistan-verfolgt-im-exil-getoetet-vor-30-jahren-stark-halim-dener-durch-polizeischuesse-in-hannover/

Halim Dener war gerade mal 16 Jahre alt, als er als unbegleiteter minderjähriger Flüchtender Kurdistan verließ. Nach Folter im türkischen Gefängnis und durch den staatlichen Terror in die Flucht getrieben, kam er 1994 nach Neustadt am Rübenberge bei Hannover – nur wenige Monate, nachdem Deutschland die Arbeiterpartei Kurdistans PKK und ihr nahestehende Organisationen verboten hatte. Als er am 30. Juni 1994 gemeinsam mit anderen Aktivist*innen am Steintorplatz in Hannover Plakate gegen das Verbot klebte, wurde er von einem SEK-Beamten in Zivil erschossen.

Das Landgericht Hannover urteilte später, der Schuss habe sich bei der Auseinandersetzung »unter Stress« und »unabsichtlich« gelöst und Halim Deners Tod sei ein tragischer Unfall gewesen. Zweifel an dieser Version gibt es bis heute: Nicht nur ergaben die Untersuchungen beim Gerichtsverfahren, dass die Mündung der Waffe zum Zeitpunkt des Schusses nicht mehr als 15 Zentimeter von Halim entfernt gewesen sein konnte. Der Smith & Wesson-Revolver, aus dem der Schuss kam, hatte außerdem eine automatische Sicherung und konnte unmöglich versehentlich losgegangen sein. Der Polizist und Täter Klaus T. wurde nach einem drei Jahre andauernden Gerichtsprozess trotz dieser ungeklärten Umstände freigesprochen.

Tausende Kurd*innen nahmen in den Wochen nach Halim Deners Erschießung in ganz Deutschland an Trauermärschen teil. Der Fall Halim Dener steht symbolisch für die staatliche Gewalt gegen Kurd*innen und die Zusammenarbeit Deutschlands mit der Türkei. Mit den vier Worten »Gefoltert. Geflüchtet. Verboten. Erschossen.« zeichnet die Kampagne Halim Dener, die sich anlässlich des 20. Todestages 2014 gründete, seine Geschichte nach – eine Geschichte von Krieg, Flucht und Kriminalisierung. Um diese sichtbar zu machen, kämpfen die Aktivist*innen seit zehn Jahren für einen Erinnerungsort in Hannover. »Die Stadt muss sich mit dieser Realität auseinandersetzen, dafür fordern wir einen Ort des Gedenkens. Die Idee dahinter ist auch, ein Stück weit die Stigmatisierung der Kurd*innen aufgrund des Verbotsparagrafen 129b aufzubrechen«, erklärt Dirk Wittenberg von der Kampagne Halim Dener gegenüber ak. Dass das nicht einfach werden würde, sei relativ schnell klar gewesen: »Wir sind irgendwann dazu übergegangen, eigene Infotafeln oder Gedenksteine zu verlegen, die immer innerhalb kurzer Zeit von der Stadt entfernt wurden.«

Zusätzlich gab es Bemühungen, einen Platz im früheren Arbeiter*innenstadtteil Linden Halim Dener zu widmen. 2017 stimmte dort der Stadtbezirksrat zu, den Platz nach Halim Dener umzubenennen. Das löste heftigen Protest türkischer Organisationen aus und sorgte sogar in der Türkei für Aufruhr, wo der Schritt des Bezirksrats in Politik und Medien als Skandal bezeichnet wurde. Der damalige SPD-Oberbürgermeister Stefan Schostok legte kurz darauf vor dem Verwaltungsgericht in Hannover Einspruch gegen den Beschluss ein, mit der Begründung, innertürkische Konflikte würden dadurch angeheizt – als hätte Halim Deners Tod überhaupt nichts mit Deutschland zu tun. Das Verwaltungsgericht gab ihm recht, und der Platz wurde – zumindest offiziell – nicht umbenannt. Im März 2023 ging schließlich ein Antrag der grünen Fraktion in Hannover durch, eine Gedenktafel in der Stadt zu errichten. Die Umsetzung war für Juni 2024 vorgesehen, doch die Kampagne Halim Dener hat nicht viel Hoffnung: »Wir gehen davon aus, dass da nichts passieren wird«, so Dirk Wittenberg.

Mehr als Erinnern
In puncto Erinnerungsarbeit ist von oben wenig zu erwarten. Etwas Sichtbarkeit im öffentlichen Raum erlangte Halim Deners Geschichte in den letzten Jahrzehnten vor allem durch aktivistische Handarbeit. Zu seinem 29. Todestag letztes Jahr überklebten Aktivist*innen ein Straßenschild im Stadtteil Linden mit dem Schriftzug »Halim-Dener-Straße«. Und in Bielefeld werden Besucher*innen des Arbeiter*innenjugendzentrums von einem Graffiti in Gedenken an Halim Dener begrüßt, das schon im Jahr nach seiner Erschießung dort gesprüht wurde. Die Polizei forderte das Zentrum 2018, also über zwei Jahrzehnte später, auf, das Wandbild zu entfernen. Wegen Nichtentfernens des Graffitis verurteilte das Bielefelder Amtsgericht 2019 schließlich den Vereinsvorsitzenden des Zentrums, der in einem Berufungsverfahren aber wieder freigesprochen wurde. Das Graffiti durfte bleiben.

Lange bevor Halim Dener in Deutschland erschossen wurde, war der deutsche Staat durch Waffenexporte an die Türkei am Krieg in Kurdistan in den 1990er Jahren beteiligt, der ihn ins Exil trieb.

In diesem Jahr liegt der Fokus der Kampagne Halim Dener weniger auf der Erinnerungsarbeit. Im Vordergrund stehen stattdessen politische Forderungen. Anlässlich des 30. Todestags organisiert die Kampagne unter dem Slogan »Kämpfe verbinden!« nicht nur eine Demonstration, sondern erstmals auch eine Konferenz, um mit anderen Bewegungen zusammenzukommen und über Lösungen für aktuelle Krisen zu diskutieren. Beim Gedenken an Halim Dener geht es um mehrere politische Kämpfe zugleich. In seiner Geschichte vereinen sich die Themen Krieg und Flucht, das PKK-Verbot, Polizeigewalt, Repressionen und die Rolle des Staates. Lange bevor Halim Dener in Deutschland erschossen wurde, war der deutsche Staat durch Waffenexporte an die Türkei am Krieg in Kurdistan in den 1990er Jahren beteiligt, der ihn ins Exil trieb. Mit den Restbeständen der Nationalen Volksarmee, die Deutschland nach Ende der DDR der Türkei schenkte, wurden Kurd*innen vom Staat terrorisiert und ganze Dörfer in Kurdistan zerstört.

Durch das 1993 erlassene PKK-Verbot in Deutschland werden kurdische Aktivist*innen, Vereine und Medien bis heute kriminalisiert und angegriffen. Innenminister Manfred Kanther von der CDU, unter dem die PKK damals verboten wurde, hetzte in den 1990er Jahren regelmäßig gegen kurdische Aktivist*innen und forderte ihre Abschiebung. Nicht nur aufgrund der guten Beziehungen zur Türkei verfolgt Deutschland Kurd*innen auf Grundlage des PKK-Verbots. Deutschland hat auch ein eigenes Interesse daran, eine sozialistische Partei und damit auch Generationen von Aktivist*innen zu kriminalisieren, die sich gegen staatliche Gewalt, Krieg und Kapitalismus auflehnen und organisieren. Die Polizeigewalt, die Halim Dener tötete, war nicht vordergründig eine rassistische, sondern vor allem eine politisch motivierte Handlung. Auf den Plakaten, die Halim Dener in der Tatnacht klebte, war das Emblem der Volksbefreiungsfront Kurdistans (ERNK) zu sehen, einer Organisation der PKK.

Dennoch interessant ist die Tatsache, dass Frank H., einer der SEK-Beamten, die in jener Nacht Halim und seine Genoss*innen angriffen, heute im Zusammenhang mit den Umsturzplänen der »Reichsbürger«-Gruppe um Prinz Reuß auftaucht. »Er war als einer der ›Heimatschutzkommandeure‹ hier in der Gegend vorgesehen, da stellt sich natürlich auch die Frage nach den Verbindungen der Polizei nach Rechtsaußen«, so Dirk Wittenberg von der Kampagne Halim Dener.

Antworten auf weltweite Krisen

Am Aufruf zur diesjährigen Demonstration in Hannover, die am 6. Juli stattfindet, beteiligen sich neben kurdischen Organisationen auch viele weitere Gruppen und Initiativen, darunter der Niedersächsische Flüchtlingsrat, Rheinmetall Entwaffnen, die Rote Hilfe und viele feministische und antirassistische Gruppen. »Lasst uns unsere Kämpfe verbinden und zeigen, dass die antirassistischen und internationalistischen Antworten auf die Krisen dieser Welt lebendig sind«, heißt es im gemeinsamen Aufruf. Eine Woche davor, am 29. Juni, ruft die Kampagne zum inhaltlichen Austausch bei einer ganztägigen Konferenz im Kulturzentrum Pavillon in Hannover auf. Die verschiedenen Bewegungen wollen dort die Themen Krieg, Rüstungsexporte, staatliche Gewalt, Rassismus und das PKK-Verbot diskutieren.

Die Kampagne Halim Dener stellt eine Auseinandersetzung mit Polizeigewalt vor, die sich nicht nur mit einzelnen Aspekten beschäftigt, sondern gleichzeitig eine Systemkritik entwickelt. Was am Beispiel von Halim Dener besonders deutlich wird, aber auch für alle anderen Fälle von Polizeigewalt gilt, ist, dass staatliche Gewalt, Kapitalismus, Rassismus, Flucht und Krieg nicht separat, sondern in ihren Zusammenhängen besprochen und auch bekämpft werden müssen. Dieser Ansatz macht es notwendig, bewegungsübergreifend Widerstand gegen Gewalt und Repressionen zu leisten.

Hêlîn Dirik ist Redakteurin bei ak.

Programm der Konferenz „Kämpfe verbinden – Im Gedenken an Halim Dener“

Wir freuen uns, euch das vorläufige Programm der Konferenz „Kämpfe verbinden – Im Gedenken an Halim Dener“ vorstellen zu können. Anmeldungen zur Teilnahme sind weiterhin möglich. Die Anmeldefrist wurde bis zum 26.06.2024 verlängert.

Zudem besteht die Möglichkeit, mit einem Infotisch an der Konferenz teilzunehmen. Bitte meldet euch hierfür ebenfalls bis zur Anmeldefrist an. Eine ganztägige Kinderbetreuung wird bereitgestellt. Gebt bei der Anmeldung bitte die Anzahl und das Alter der Kinder an, damit wir entsprechend planen können.

Ablauf / Programm

  • Einlass ab 10:00 Uhr.
  • 10:00 – 11:00 Uhr : Pressekonferenz
    • Gespräch mit der Presse u.a. mit:Kampagne Halim Dener
    • Flüchtlingsrat NDS
    • MAF-DAD – Verein für Demokratie und internationales Recht
  • 10:30 – 11:00 Uhr: Begrüßung, Eröffnung
  • 11:00 – 12:00 Uhr: aktuelle politische Lage mit Tim Krüger
    Tim Krüger ist Aktivist und freier Journalist. er berichtet seit 2015 über die Konflikte und Auseinandersetzungen in Kurdistan und der Region und recherchierte zwischen 2018 und 2021 im Nordirak und in Nordsyrien über den laufenden revolutionären Prozess und gesellschaftlichen Wandel.
  • 12:00 – 13:30 Uhr: Erste Diskussionsrunde. Themen und Arbeitsgruppen:
    • Gefoltert: Rheinmetall Entwaffnen
    • Geflüchtet: Flüchtlingsrat NDS
    • Verboten: Rechtshilfefonds AZADÎ e.V.
    • Erschossen: Solikreis Bilel
  • 13:30- 14:30 Uhr: Mittagspause inkl. Mittagessen
  • 14:30 – 16:00 Uhr: Zweite Diskussionsrunde (Mit der Möglichkeit, die Gruppe zu wechseln). Themen und Arbeitsgruppen:
    • Gefoltert: Rheinmetall Entwaffnen
    • Geflüchtet: Flüchtlingsrat NDS
    • Verboten: Rechtshilfefonds AZADÎ e.V.
    • Erschossen: Solikreis Bilel
  • 16:00 – 17:50 Uhr: Rücktrag, Diskussion und gemeinsame Planung
  • 17:50 – 18:00 Uhr Abschlussrede und Ende

Ort der Konferenz

Kulturzentrum Pavillon
Lister Meile 4
30161 Hannover

Wir freuen uns auf eure Teilnahme und einen produktiven Austausch!

Busfahrten nach Hannover zur Demonstration zum 30. Todestag

Hier veröffentlichen wir die Infos fortlaufend.

Busabfahrtzeiten nach Hannover zur Großdemonstration:

Berlin

Infos zur Abfahrtzeit und Abfahrtsort gibts auf Anfrage und beim Ticketkauf.
Tickets für die gemeinsame Busanreise aus Berlin gibt es hier:
L5 Späti, Lenaustraße 5, 12047 Berlin

Berlin share Pic

Leipzig und Halle

Abfahrt in Leipzig ist ⏰ 7:30 am Hauptbahnhof Goethestraße
Abfahrt in Halle ist ⏰ 8:00 am ZOB.
Wir bitten aufgrund der begrenzten Sitzplätze um eine Anmeldung.
per E-Mail: defend-kurdistan-leipzig [ett] systemli.org
oder über Instagram: @defendkurdistan_le.
Mehr Infos zur Busanreise kommen auf Instagram bei Defend Kurdistan Leipzig.

Einladung und Anmeldung zur Konferenz – Kämpfe Verbinden zum 30. Todestag

Liebe Freund*innen,

Im Sommer 2024 jährt sich der Todestag von Halim Dener zum 30. Mal. Der damals 16 Jährige kurdische Jugendliche wurde am 30. Juni 1994 von einem deutschen Polizisten erschossen. Aus diesem Anlass wollen wir als Kampagne „Halim Dener. Gefoltert. Geflüchtet. Verboten. Erschossen.“ zu der Konferenz am 29. Juni 2024 unter dem Motto „Kämpfe verbinden! In Gedenken an Halim Dener“ einladen.

Der Untertitel unserer Kampagne „Gefoltert. Geflüchtet. Verboten. Erschossen“ bezieht sich auf die verschiedenen Kämpfe, die Halim mit seinem Leben verbunden hat:

gefoltert
Anfang der 1990er Jahre kam es zum Aufstand der kurdischen Bevölkerung. Ein Aufstand, der vom türkischen Staat mit Krieg gegen die Zivilbevölkerung beantwortet wurde. 3500 zerstörte und niedergebrannte Dörfer, zerstörte zivile Infrastruktur, mehr als 3 Millionen Zivilist*innen auf der Flucht. Die Waffen für diesen Krieg lieferte Deutschland. Eine Praxis, die erst unterbrochen wurde, als Bilder von deutschen Panzern, mit denen kurdische Aktivist*innen durch die Straßen geschliffen wurden, an die Weltöffentlichkeit gelangten.
Einer von den vielen, deren Heimatdorf niedergebrannt, die in diesem Krieg festgenommen und gefoltert wurden, war der kurdische Jugendliche Halim Dener.

geflüchtet
Und so gehörte Halim Dener zu den mehr als 300.000 Menschen, die seit Ende der 1980er aus Kurdistan nach Deutschland fliehen mussten.
Doch das Land, in das er 1994 floh, war dasselbe Land, das schon Anfang der 1980er Jahre – nach dem Militärputsch – türkische Linke an die Türkei auslieferte. Es war dasselbe Land, in dem es 1992 zu den Pogromen und Anschlägen in Hoyerswerda, Rostock Lichtenhagen und Mölln kam, und dessen Antwort auf diese Eskalation der Gewalt die Einschränkung des Rechtes auf Asyl war.

verboten
Halim Dener floh in ein Land, in dem die Proteste der kurdischen Bevölkerung gegen die Unterdrückung in ihrer Heimat mit einer beispiellosen Hetzkampagne und dem Verbot der PKK und all ihr nahestehenden Organisationen beantwortet wurden. Kurd*innen = PKK = Terrorist*innen war die Gleichung für eine innerstaatliche Feindeserklärung, die damals wie heute gegenüber den Kurd*innen, ihren Vereinen, Strukturen und Aktivist*innen gilt, und die ein Klima von Hass und Angst geschaffen hat.

erschossen
Diesen Anfeindungen und Repressionen zum Trotz setzte sich Halim auch in der BRD für die kurdische Bewegung ein. Er plakatierte schon wenige Wochen nach seiner Flucht in Hannover Poster mit dem Emblem der ERNK, des (damaligen) politischen Arms der PKK.
Dabei wurde Halim am 30. Juni 1994 von SEK-Polizisten in Zivil überrascht und bei der Festnahme in den Rücken geschossen. An eben dieser Schussverletzung starb Halim nur wenig später. Sinnbildlich für die Situation der in Deutschland lebenden Kurd*innen wurde der Schütze nach einem drei Jahre andauernden Prozess freigesprochen.

Halim Dener repräsentiert in seiner Person viele verschiedene Kämpfe, die hier in der BRD und auf der Welt geführt werden – der Kurdistan-Konflikt, die Frage von Krieg und Flucht, Repression linker Ideen und Organisationen sowie Polizeigewalt.
Wir sehen die viele Gruppen, Initiativen und einzel Personen, die eine Veränderung wollen und an so wichtigen politischen Prozessen und Arbeiten beteiligt sind. Wir sehen zum Beispiel Feministische Gruppen die gegen Feminizide auf die Straße gehen, Ökologische Gruppen die sich ganz klar gegen die Zerstörung der Natur stellen, Gruppen die gegen die Militarisierung und für den Frieden stehen und wir sehen Zusammenhänge zwischen all diesen. Lasst uns Zusammenkommen, voneinander und miteinander lernen, gemeinsame Perspektiven diskutieren, über Gemeinsamkeiten näher zusammenrücken und ganz praktisch unsere KÄMPFE VERBINDEN!

Wir würden uns freuen, wenn auch ihr als Gruppe / Initiative / Organisation zu unserer Konferenz kommt. Die Konferenz findet am Samstag, 29.06.2024 von 10 – 18 Uhr im kleinen Saal des Pavillon (Kulturzentrum Pavillon, Lister Meile 4, 30161 Hannover) statt.
Auch freuen wir uns auf eure Teilnahme an der Demonstration am 06. Juli 2024. Auftakt am Steintor ist um 13 Uhr. Natürlich freuen wir uns darauf, euch an beide Ereignissen zu treffen!!!

Anmeldung

Bitte meldet euch für die ganztägige Konferenz (10 bis 18 Uhr) über folgende E-Mailadresse mit Anzahl der Teilnehmenden aus eurer Gruppe bis spätestens Sonntag, 23. Juni 2024 an, damit wir entsprechend planen können. E-Mailadresse: halim.dener@riseup.net

Bitte leitet diese Einladung gerne an Interessierende weiter.

Kampagne Halim Dener
halim.dener [at] riseup.net
Blog der Kampagne Halim Dener

@kampagne_halim_dener

„Kämpfe verbinden!“ – Demonstration und Konferenz in Gedenken an Halim Dener

Die Kampagne Halim Dener ruft zum 30. Todestag des kurdischen Geflüchteten zu einer Demonstration und Konferenz nach Hannover auf. Der 16-Jährige war am 30. Juni 1994 von einem Polizisten in der Hannoveraner Innenstadt erschossen worden.

Der 30. Todestag von Halim Dener, dem damals 16-jährigen kurdischen Jugendlichen, der 1994 in Hannover von einem deutschen Polizisten erschossen wurde, markiert nicht nur ein trauriges Ereignis, sondern auch den Beginn einer langen Auseinandersetzung um die Umstände seines Todes. Stellvertretend stehen Halims Leben, seine Geschichte und sein Kampf für all diejenigen, die einen ähnlichen Staatsterror gegenüber standen und stehen. Die Kampagne Halim Dener hat sich in den letzten zehn Jahren zum Ziel gesetzt, nicht nur sein Andenken zu bewahren, sondern auch gesellschaftliche Fragen anzugehen, die zu seinem Tod geführt haben. Unter dem Motto „Kämpfe verbinden!“ hat die Kampagne mit einem Bündnis aus unterschiedlichen gesellschaftlichen und linken Gruppen einen Aufruf gestartet, um gemeinsam gegen rassistische Polizeigewalt und die Unterstützung deutscher Rüstungsunternehmen für Konflikte in Kurdistan und an vielen anderen Orten dieser Welt vorzugehen. In den zehn Jahren wurde durch vielfältige Aktionen und das Erstellen von Materialien das Gedenken an Halim Dener öffentlich gemacht und die politische Sensibilisierung junger Linker gefördert. Die Kampagne hat auch über den lokalen Rahmen hinausgewirkt und Teilerfolge in der Kommunalpolitik erzielt.

Konferenz und Demonstration

Erste Veranstaltungen an einigen Orten im ganzen Land sind bereits geplant, um mit Gruppen in Austausch zu gehen und um für die beiden Großereignisse, Konferenz und Demonstration, zu mobilisieren. So schreibt ein Aktivist der Kampagne: „Wer Interesse an einem Austausch hat oder an einer gemeinsamen Veranstaltung, kann gerne die Kampagne anschreiben.“ Auch wird betont, dass mit den beiden Großereignissen der begonnene Prozess für einen neuen Internationalismus ein weiterer Meilenstein gelegt wird und die Weichen für eine bessere Zukunft gelegt werden. „Ziel wird es sein, voneinander und miteinander zu lernen, ein gemeinsames Bewusstsein für unterschiedliche Kämpfe zu entwickeln und die eigenen Kämpfe mit bestehende zu verbinden“, schreibt der Aktivist. Weiter sagt er: „Zu ihrem zehnjährigen Bestehen lädt die Kampagne zu einer Konferenz am Samstag, 29. Juni, ein, um über ihre Errungenschaften und die Verbindung von Kämpfen zu diskutieren. Vor allem geht es darum, gemeinsame Perspektiven zu diskutieren und über Gemeinsamkeiten näher zusammenzurücken. Dazu soll noch eine Einladung folgen, um Organisationen, Gruppen und Initiativen zu ermutigen, in einen inhaltlichen Austausch mit unterschiedlichen Kämpfen zu gehen. Die Ergebnisse der Konferenz werden sicherlich auch relevant für die Demonstration sein. Denn es ist auch zum 30. Todestag eine Großdemonstration am Samstag, 6. Juli, geplant, um ‚Kämpfe verbinden!‘ auf die Straße zu tragen. Wer die Großdemonstration mit unterstützen möchte und dafür mobilisiert, kann gerne die Kampagne anschreiben. Obwohl die Kampagne in den letzten zehn Jahren viel erreicht hat, bleibt noch viel zu tun, um das Gedenken an Halim Dener würdevoll zu gestalten und gesellschaftliche Kämpfe weiter voranzubringen.“

Aufruf mitunterzeichnen

„Wir würden uns freuen, wenn ihr den Aufruf mit unterzeichnet und zur Großdemonstration mobilisiert. Aktuell haben zahlreiche Organisationen und Gruppen den Aufruf unterzeichnet. Teilt den Aufruf gerne auch in euren Netzwerken und in euren Städten. Zum Unterzeichnen einfach an diese Mailadresse mailen: halim (.) dener (at) riseup (.) net. Auch für gemeinsame Veranstaltungen zum Austausch unter dem Motto ‚Kämpfe verbinden!‘ kann an die genannte Mailadresse bei Interesse geschrieben werden“, so der Aktivist.

Die Kampagne Halim Dener hat auch wieder eine Webpräsenz:
Homepage: halimdener.blackblogs.org
Instagram: @kampagne_halim_dener

Halim Dener: Gefoltert, geflüchtet, verboten, erschossen

Zur Demonstration am 6. Juli rufen unter anderem kurdische, linke, feministische und ökologische Organisationen auf. Den Aufruf mit aktuellen Unterzeichner:innen kann hier eingesehen werden:

Demoaufruf und Unterzeichner:innen
Konferenz am Samstag, 29.06.2024 um 10 Uhr im kleinen Saal des Pavillon
(Kulturzentrum Pavillon, Lister Meile 4, 30161 Hannover)

Großdemonstration am Samstag, 06.07.2024
Auftakt um 13 Uhr, Steintor in Hannover

Straße in Hannover nach Halim Dener benannt

In Hannover haben Aktivist:innen eine Straße im Stadtteil Linden nach Halim Dener benannt. 29 Jahre nach dem Mord an dem jungen Kurden durch Polizeischüsse wird weiterhin ein würdiges und öffentliches Gedenken gefordert.
Link: https://anfdeutsch.com/aktuelles/-38011
Link: https://www.jungewelt.de/loginFailed.php?ref=/artikel/453462.stra%C3%9Fenumbennungsaktion-zur-erinnerung-an-halim-dener.html?sstr=halim%7Cdener

Am Samstagnachmittag haben Aktivist:innen eine Straße im Stadtteil Linden nach Halim Dener benannt. Der kurdische Jugendliche wurde vor 29 Jahren beim Anbringen eines Plakates der Arbeiterpartei Kurdistans von einem Polizisten von hinten erschossen. Bis heute wurde die Tat nicht vollständig aufgeklärt. Ein würdevolles und öffentliches Gedenken ist bis heute verwehrt worden. Anna Kühnle erklärte anlässlich der Straßenumbenennung im Namen der Aktivist:innen: „Um das Gedenken an Halim Dener lebendig zu halten, haben wir diese direkte Aktion durchgeführt und das getan, was die Stadt seit 29 Jahren nicht in die Tat umgesetzt hat. Dabei ist der Fall Halim Dener kein Einzelfall, sondern reiht sich ein in eine lange Geschichte rassistischer und struktureller Polizeigewalt. Wir fordern von der Stadt Hannover, jetzt endlich die Umbenennung des Platzes, welcher im Stadtteil schon längst als Halim-Dener-Platz bekannt ist, offiziell zu machen.“

Die Aktivist:innen betonen, dass das Gedenken an Halim Dener „heute genau so wichtig wie damals“ ist, und laden zur Teilnahme an einer Gedenkkundgebung am Steintor am 30. Juni ein.

Als Halim Dener am 30. Juni 1994 von einem SEK-Polizisten erschossen wurde, war er 16 Jahre alt. Der junge Kurde stammte aus Çewlîg (tr. Bingöl) und war kurz vor seinem Tod aufgrund des Staatsterrors aus der Türkei nach Deutschland geflüchtet. Für die tödlichen Schüsse in den Rücken ist niemand verurteilt worden.